Darum bekommen Männer zu wenig Komplimente

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Zürich,

Frauen loben sich gegenseitig für Aussehen, Arbeit und Charakter. Männer gehen bei den Komplimenten-Runden meistens leer aus. Weil sie sich nicht getrauen.

Applaus
Frauen lernen bereits früh, einander Komplimente zu machen. Das tut gut – und fördert erwünschtes Verhalten. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Männer machen sich untereinander weniger Komplimente, als Frauen.
  • Auch von Frauen bekommen Männer weniger Komplimente.
  • Viele Männer leiden unter dem Mangel an Lob und Wertschätzung.

«Mir gefällt deine Frisur.»

«Der Pulli steht dir gut!»

«Toll, wie du das eben gemacht hast!»

Komplimente – sie bestärken, sie tun gut. Sie fördern ein funktionierendes Miteinander. Und sie werden äusserst ungleich verteilt.

Männer klagen im Internet

«Das letzte Mal, dass mir jemand ein Kompliment gemacht hat, ist Monate her. Ich verstehe das. Jungs bekommen nie Komplimente», schreibt ein User im weltgrössten Onlineforum «Reddit». «Monate», fragt ein anderer und fügt an: «Du Glücklicher…»

Tausende von Männern haben via «Reddit» dem WWW ihr Leid geklagt. Bei manchen ist das letzte Kompliment Jahrzehnte her. Andere wurden – ausser von Mama – noch gar nie komplimentiert.

Männer beleidigen sich lieber

«Männer bekommen viel weniger Komplimente, als Frauen. Sei das in einer Beziehung, aber auch von aussen», bestätigt Psychotherapeutin Dania Schiftan.

«Unter Männern ist es untypisch, Komplimente zu geben. Wir üben das als Jugendliche auch gar nicht. Da macht man sich lieber freundschaftlich runter», erklärt Lu Decurtins von männer.ch. «Dabei ist es für jeden schön, Wertschätzung zu bekommen.»

Wertschätzung zu zeigen, lernen die Männer meistens erst in ihrer Beziehung mit einer Frau, so Decurtins. Dann aber ist das Kompliment eng mit Flirten und romantischen Erwartungen verknüpft. «Einem Kumpel ein Kompliment zu machen – oder eines anzunehmen – fällt den Männern darum wahnsinnig schwer», sagt Decurtins.

Frauen erwarten Komplimente

Den Grund dafür, dass Männer das komplimentieren untereinander gar nicht erst lernen, kennt Psychotherapeutin Schiftan: «In der Gesellschaft herrscht die Meinung vor: Männer sollen Frauen Komplimente machen», erklärt sie.

Zwei kleine Mädchen auf dem Spielplatz
Kleine Mädchen lernen es ganz früh – grosse Buben können es manchmal nie: Sich gegenseitig Komplimente machen. - Pixabay

Das gehe so weit, dass Frauen beleidigt seien, wenn die Männer sie nicht komplimentieren. «Viele Männer machen Komplimente gar nicht freiwillig, sondern aus diesem gesellschaftlichen Druck heraus.»

Kompliment mit Hintergedanken

Bei den Frauen hingegen geht der Druck in die exakt andere Richtung. Denn oft kommt ein Kompliment mit «Anhang». Mit einem Hintergedanken, also.

«Viele Männer fassen ein Kompliment als Einladung für einen Flirt auf», sagt Schiftan. Weil viele Frauen diese Erwartung aber nicht bei jedem Mann wecken wollen, verzichten sie lieber ganz aufs Loben.

Frauenförderung Wirtschaft Arbeit Teilzeit
Mütter passen ihre Arbeit dem Familienleben doppelt so oft an, wie Väter. - Pixabay

Das Ganze sei ein waschechter Teufelskreis. Denn «Männer reagieren auf Komplimente vor allem darum so stark, weil sie so selten welche bekommen. Wären sie es sich gewohnt, würden sie viel lockerer damit umgehen», erklärt Schiftan.

Mehr ist mehr

Wie also kommen die Männer zu mehr Lockerheit? Üben, üben, üben – das gelte für Frauen und Männer.

Schiftan rät zudem allen, ein Kompliment immer so zu verstehen, wie man es verstehen will. Wer die Erwartungshaltung hinter einem Lob nicht hören will, müsse auch nicht. «Komplimente sind Gratis-Geschenke. Wenn wir dabei immer zu weit denken, machen wir uns das kaputt.» Und wer zerstört schon gerne ein Geschenk?

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