Männer erinnern sich stärker an Schmerzen als Frauen

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Zürich,

Männer empfinden Schmerz intensiver, wenn er mit einem früheren schmerzhaften Erlebnis verbunden ist. Zu Weicheiern macht sie das aber dennoch nicht.

Auuuutsch: Männer scheinen ein stärkeres Schmerzgedächtnis zu haben.  Bild: iStock
Auuuutsch: Männer scheinen ein stärkeres Schmerzgedächtnis zu haben. Bild: iStock - Community

Das Wichtigste in Kürze

  • Schmerzen fühlen sich intensiver an, wenn sie mit einer Erinnerung verbunden sind – aber nur für Männer.
  • Das zeigt ein Versuch, bei dem Männer und Frauen Schmerztests absolvierten.
  • Im Alltag ist das Geschlecht aber nur einer von vielen Faktoren, die die Intensität von Schmerzen mitbestimmen.

Guten Morgen, Schmerz. Rund 1,3 Millionen Schweizerinnen und Schweizer leiden unter chronischen Schmerzen – also Schmerzen, die seit mehr als sechs Monaten nicht weggehen. Das zeigte eine gross angelegte Umfrage in ganz Europa bereits vor zwölf Jahren. Bis heute scheint die Situation unverändert oder sogar noch dramatischer: In der aktuellen Schweizer Gesundheitsbefragung aus dem Jahr 2017 gaben etwa sechs Prozent der Männer und fast zehn Prozent der Frauen an, unter starken Schmerzen zu leiden. Vor allem im Rücken, im Kreuz, in den Schultern und im Nacken.

Wieso die Frauen fast doppelt so häufig an starken Schmerzen leiden, ist unklar. Eine Studie kanadischer Wissenschaftler gibt aber Aufschluss. Sie zeigt, dass tatsächlich Unterschiede im Empfinden von Schmerz zwischen Männern und Frauen bestehen.

Die Forschenden der McGill University führten mit 41 Männern und 38 Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren zwei Schmerztests durch. Beim ersten Test mussten die Probanden zunächst einen Hitzereiz auf ihrem Arm ertragen und den empfundenen Schmerz auf einer Skala mit 100 Punkten bewerten. Gleich danach mussten sie mit diesem Arm intensive Kraftübungen ausführen – allerdings war ihr Arm währenddessen durch einer Blutdruckmanschette eingeengt. Dieses Erlebnis bewerteten die meisten Probanden mit über 50 Punkten auf der Schmerzskala als äusserst schmerzhaft.

Am nächsten Tag fand der zweite Teil des Experiments statt. Diesmal mussten die Probanden wieder genau denselben heissen Reiz am Arm beurteilen. Die Hälfte der Probanden tat dies im gleichen Raum mit demselben Forscher wie am Vortag. Die andere Hälfte aber wurde mit einem anderen Forscher in einen anderen Raum geschickt. Und jetzt zeigte sich: Die Männer, die im gleichen Raum blieben, empfanden einen stärkeren Schmerz als tags zuvor. Offenbar waren sie durch die Erinnerung an den Schmerz viel empfindlicher geworden – einige der Männer beurteilten den Schmerz sogar als doppelt so intensiv. Die Frauen hingegen liessen sich durch die Erinnerung nicht beeinflussen: Sie empfanden Schmerz an beiden Tagen ähnlich intensiv, unabhängig davon, ob der Versuch im gleichen oder in einem anderen Raum stattfand.

Hormonelle Unterschiede

«Dieses Ergebnis ist sehr aufschlussreich», sagt Konrad Maurer, Leiter der ambulanten und stationären Schmerztherapie am Universitätsspital Zürich. Denn dank solcher Experimente lasse sich besser verstehen, wie das Schmerzgedächtnis genau funktioniert. Schon frühere Experimente hätten gezeigt, dass für das ungleiche Schmerzempfinden von Männern und Frauen wahrscheinlich hormonelle Unterschiede verantwortlich seien. «Aber in früheren Studien waren mal die Männer wehleidiger, mal die Frauen», sagt Maurer.

Was sich in einem isolierten Experiment mit gesunden Menschen beobachten lässt, ist im Alltag komplexer. An der Entstehung von chronischen Schmerzen seien mehrere Faktoren beteiligt, sagt Maurer. Einerseits komme es natürlich darauf an, wie stark der eigentliche Schmerzreiz tatsächlich ist. «Da haben wir viel Erfahrung. Wir wissen recht genau, welche Operationen wie viel Schmerzen verursachen.» Aber wie stark ein Schmerz von jedem einzelnen erlebt wird, sei dann sehr individuell. Hier spiele nicht nur die persönliche Krankengeschichte eine Rolle, sondern beispielsweise auch kulturelle Einflüsse. «In einigen Kulturen ist es verpönt, zu jammern, und in anderen erhält nur Hilfe, wer sich am lautesten beklagt», sagt Maurer. Für die Behandlung seien einzelne Faktoren wie Geschlecht oder Herkunft deshalb nicht entscheidend, sondern die Summe davon. Und alle hätten sowieso die bestmögliche Behandlung verdient: «Tatsache ist ja, dass eine Patientin oder ein Patient diese Schmerzen fühlt».

Initiated by Gebert Rüf Stiftung

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