Museumsbesuche sollen Krankheiten wie Demenz lindern

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Bern,

Ärzte in Montreal (CAN) dürfen neu Museumsbesuche verschreiben. Dass Kunst glücklich macht, wissen aber nicht nur die Kanadier.

Die Bilder-Reise im Zentrum Paul Klee.
Die Bilder-Reise im Zentrum Paul Klee. - ZVG

Das Wichtigste in Kürze

  • In Montreal (CAN) dürfen Ärzte ein Rezept für einen Museumsbesuch ausstellen.
  • Auch Schweizer Museen bieten besondere Angebote für kranke Menschen.

Rezepte stellt der Arzt für Arzneimittel, Behandlungen und Therapien aus. In Kanada allerdings kommt etwas Neues dazu: Museumsbesuche. Ärzte in Montreal dürfen ihren Patienten ab sofort Kunst verschreiben.

Das Rezept gilt für bis zu zwei Erwachsene und zwei Kinder. Helfen soll es bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, aber auch bei physischen Krankheiten wie chronischen Schmerzen oder Demenz.

Kunst als Heilmittel

«Der Besuch eines Museums ist ein Halt, eine Belohnung, ein Zuspruch. Und eine Möglichkeit für Patienten, ihr Leiden – ob körperlich oder psychisch – zu lindern. Das Projekt tut etwas für die Menschen, die in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind», erklärt Hélène Boyer, Vizepräsidentin der Ärztevereinigung Médicins francophones du Canada gegenüber dem Sender «TVA Nouvelles».

Beim Museumsbesuch – genauso, wie wenn in der Ergotherapie selber gemalt oder gebastelt wird – schüttet der Körper das Glückshormon Serotonin vermehrt aus. Zudem wirkt ein Museumsbesuch besonders bei sehr einsamen Menschen gegen die Isolation zu Hause und regt das Gedächtnis an, indem das Gehirn die neuen Informationen der verschiedenen Kunstwerke verarbeiten muss.

Kunst gegen Demenz im Zentrum Paul Klee

Diese Wirkung der Kunst machen sich nicht nur die kanadischen Ärzte zu nutzen. Auch das Berner Zentrum Paul Klee (ZPK) bietet zusammen mit dem Kindermuseum Creaviva seine Kunstwerke für Menschen mit Demenz an.

«Im Rahmen unseres Projektes «Klee ohne Barriere» – Angebote für Menschen mit einer Einschränkung – haben wir auch ein Angebot für Menschen mit Demenz aufgenommen», erklärt Rosmarie Ehinger vom ZPK. Nau wollte wissen, wie das genau geht.

Eine Gruppe von Menschen mit Demenz versammelt sich vor verschiedenen Kunstwerken, betrachtet sie und liefert Inputs zur Geschichte des Bildes. Während die Mitarbeiter danach in der Cafeteria einen Kaffee schreiben, fasst ein Autor die Einwürfe, Anmerkungen und Fragmente der Gäste zu einer Geschichte zusammen.

Gemeinsam ein Kunstwerk betrachten und daraus eine neue Geschichte formen, das bietet das Zentrum Paul Klee.
Gemeinsam ein Kunstwerk betrachten und daraus eine neue Geschichte formen, das bietet das Zentrum Paul Klee. - ZVG

Anschliessend konnten wir für ein Pilotprojekt (September – November 2014) im Zentrum Paul Klee und im Kunstmuseum Bern zwei Institutionen für Menschen mit Demenz gewinnen, mitzumachen. Eine davon ist das Zentrum Schönberg, Forschungszentrum für Demenz und Palliative Care, welches sich in unmittelbarer Nähe des ZPK befindet.

«Bei der «Bilder-Reise» geht es darum, das Kunstwerk intuitiv, emotional und phantasievoll zu entdecken, so Ehinger.

Nach der Bilder-Reise setzt sich die ganze Gruppe noch bei Kaffee und Kuchen zusammen und zum Schluss wird die Geschichte allen vorgelesen und jedem Gast zusammen mit einer Kopie des Kunstwerkes mitgegeben.

Emotional statt rational

«Das Fabulieren und mit Worten ein Bild neu entstehen lassen animiert die Menschen mit Demenz, das Bild immer wieder neu auszulegen», so Ehringer. Kunst und Kultur seien damit für Menschen mit Demenz identitätsstiftend und bieten Orientierungspunkte, die für sie wesentlich sind, weil sie auf einer anderen Ebene als der kognitiven wirken.

Denn bei der Demenz gelinge eine intellektuelle und rationale Auseinandersetzung nur noch sehr bedingt. «Ganz anders verhält es sich bei der Gefühlswelt, die bei Menschen mit Demenz nach wie vor intakt ist und sogar noch an Bedeutung gewinnt. Kunst und Kultur liegen tief verankert und können wertvolle Brücken zu den Emotionen und Erinnerungen von Menschen mit Demenz bilden.

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