Am Horizont des Himalaya

Judith Heede
Judith Heede

China,

Irgendwo im Nirgendwo, oder anders: in der chinesischen Provinz Yunnan in den Ausläufern des Himalaya finden Touristen das Paradies und Tibeter Erleuchtung.

Yunnan, China, Brücke, Himalaya, schneebedeckte Berge
Die Provinz Yunnan in China grenzt im Westen an Myanmar, im Osten an die Provinz Sichuan und im Norden an Tibet. - Depositphotos

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Tee-Pferde-Strasse verband China, Tibet und Indien und förderte Handel und Kultur.
  • Das Songzanlin-Kloster ist Yunnans grösstes tibetisch-buddhistisches Kloster.
  • „Om Mani Padme Hum“ verkörpert Mitgefühl und Erleuchtung im tibetischen Buddhismus.

Im Herzen Yunnans, wo die historische Tee-Pferde-Strasse, Chama Gudao, sich über 2.400 Kilometer durch die Täler Südwestchinas und über die Pässe des Himalaya bis nach Tibet windet, erzählt die Landschaft von einer Zeit des regen Handels und kulturellen Austauschs. Einst trugen Karawanen Tee und Salz über diese Strecke, heute sind es die Geschichten, Traditionen und der unerschütterliche buddhistische Glaube, die den Reisenden begleiten.

Doch wer glaubt, auf diesem spirituellen Weg einfach nur den Himmel bestaunen und die Ruhe geniessen zu können, wird schnell eines Besseren belehrt. Erstens, weil die Chinesen unter gefühlten 90 Dezibel nicht sprechen, sondern immerzu schreien. Und zweitens, weil Sie den Weg ins andächtige Meditationszimmer ohne Übersetzer schlicht nicht erfragen können.

illustration, Karte von China
Die Provinz Yunnan liegt im Südwesten Chinas und grenzt im Norden, wo die Ausläufer des Himalaya eine Höhe von 6.740 Metern erreichen, an Tibet. - Depositphotos

Kommunikation? Vergessen Sie es. Englisch spricht hier keiner und selbst mit Händen und Füssen kommen Sie keinen Schritt weiter. Ein Guide ist nicht nur eine nette Idee – er ist Ihre Überlebensversicherung. Ohne ihn endet die Suche nach einer Flasche Wasser schneller in einem Fiasko, als Sie „Ni hao“ sagen können.

Schweigen ist Gold und Gebete verbinden Welten

Aber viel gesprochen haben die Mönche entlang der Tee-Pferde-Strasse auch nicht. Es wurde mehr gebetet. Die Passage durch die Berge und Täler des Himalaya war das Band zwischen den Welten und bereits im 7. Jahrhundert trugen buddhistische Gelehrte die Lehren ihres Glaubens über diese Berge.

Einer von ihnen, Padmasambhava, auch als Lotus-Buddha bekannt, brachte im 8. Jahrhundert den Buddhismus von Indien nach Tibet und legte damit das Fundament für eine der tiefgründigsten Glaubensrichtungen der Welt.

teepferd in china
Das Teepferd, Symbol der alten Handelsroute, trug nicht nur Lasten, sondern auch Geschichten und Glauben über die Berge des Himalaya. - Foto: Judith Heede

Diese Route war jedoch mehr als nur ein Pfad für Religion. Sie verband Kulturen, brachte Geschichten, Rituale und Glaubensvorstellungen von einem Tal zum anderen. Was einst auf den Rücken von Pferden und Yaks transportiert wurde, lebt heute in den Menschen weiter, die entlang dieser Strecke ihren Alltag bestreiten. Gebetsmühlenartig wiederholte Ansagen scheinen an der Stundenordnung und stellen die westliche Geduld auf die Probe.

Von Lijiang zur Tigersprung-Schlucht

Die Reise mit Songtsam, einer lokalen Luxushotelgruppe, zeigt, dass Luxus und Abenteuer hervorragend zusammenpassen. Wer eine Woche Pauschalreise von Yunnan nach Tibet für schlanke 6000 USD (ca. 5300 CHF) bucht, landet oft in Lijiang, einer Stadt, deren charmante Altstadt sich mit ihren traditionellen Holzhäusern und schmalen Kanälen ins UNESCO-Weltkulturerbe katapultiert hat und wie die Vintage-Filmkulisse aus «Alle Herrlichkeit auf Erden» wirkt.

Hier trifft die uralte Naxi-Kultur auf den tibetischen Buddhismus, und das Ganze verschmilzt zu einem Lebensstil, der so entspannt wirkt, dass man fast glaubt, die Zeit hätte hier aufgegeben, mitzuhalten. Es könnte aber auch am Jetlag liegen.

Alsttadt, Lijang, Yunnan, China
Die UNESCO-Altstadt von Lijiang beeindruckt mit ihren verwinkelten Gassen, traditionellen Holzgebäuden und malerischen Kanälen – ein lebendiges Erbe der Naxi-Kultur. - Foto: Judith Heede

Von Lijiang führt der Weg mit einem Guide vom Hotel weiter zur Tigersprung-Schlucht, einem der spektakulärsten Abschnitte der Tee-Pferde-Strasse. Die Klippen ragen steil empor, während unten der Fluss tost – ein Sinnbild der Naturgewalt.

Aber auch hier gilt: Ohne einen Guide wird’s kompliziert. Nicht etwa, weil der Weg kompliziert wäre – der ist sogar bestens markiert. Das Problem? Sie brauchen drei verschiedene Off-Road-Vehikel, um überhaupt zum Parkplatz zu kommen. Ohne Guide ist das ein logistisches Nirvana, das Sie in diesem Leben garantiert nicht mehr durchschauen. Die Konsequenz? Eine nächste Inkarnation als Teepferd.

Shangri-La: Vom Marketing-Gag zum Magneten für Spirituelle

Shangri-La – der Name klingt wie ein Werbeslogan aus einer Wellnessbroschüre, und genau das ist er auch. Ursprünglich hiess die Stadt Zhongdian, doch nach James Hiltons Roman «Lost Horizon» avancierte «Shangri-La» zum Inbegriff eines friedlichen Paradieses. Die lokale Regierung dachte sich: Warum nicht einfach den Namen übernehmen? Gesagt, getan – 2001 wurde Zhongdian offiziell in Shangri-La umgetauft. Ergebnis: Touristen aus aller Welt strömen herbei, auf der Suche nach einem Ort, der bis dahin nur in einem Buch existierte.

Gebetsmühlen, tibetische Fahnen, Kloster, China
Gebetsmühlen und bunte Fahnen im Songzanlin-Kloster verbreiten Mantras und Segenswünsche für Frieden und Glück. - Foto: Judith Heede

Der Plan ging auf. Heute kombiniert die Stadt tibetische Kultur mit moderner Infrastruktur und spielt ihre Rolle als «Paradies auf Erden» mit einer Professionalität, die selbst Hollywood neidisch macht. Touristen aus aller Welt strömen herbei, um Spiritualität und die Magie der Berge zu erleben.

Etwa 9 % des regionalen BIP stammen aus dem Tourismus. Die Einnahmen fliessen in die Restaurierung von Klöstern, die Förderung der tibetischen Kunst und die Unterstützung lokaler Gemeinschaften. Für Reisende bedeutet das: Nicht nur die Schönheit der Landschaft geniessen, sondern auch Spiritualität hautnah erleben – solange sie bereit sind, sich mit Händen und Füssen durchzuschlagen. Oder eben eine organisierte Songtsam-Reise zu buchen. Guided Tour durchs Paradies inklusive.

Das Songzanlin-Kloster: Goldene Dächer und Gebetsmühlen

Im Zentrum dieses Mythos thront das Songzanlin-Kloster, auch bekannt als «Kleiner Potala-Palast». Mit seinen goldenen Dächern, die in der Sonne leuchten, wirkt es wie das Herzstück eines Postkartenmotivs. Doch hinter der glänzenden Fassade steckt echte Spiritualität: Hier drehen sich Gebetsmühlen unermüdlich, während das Mantra «Om Mani Padme Hum» in die Welt hinausgetragen wird – ein stilles Gebet für das Wohl aller Lebewesen.

Songzanlin-Kloster, Yunnan, Shangri-La, China
Das Songzanlin-Kloster, auch „Kleiner Potala-Palast“ genannt, ist das grösste tibetisch-buddhistische Kloster in Yunnan und ein Zentrum spiritueller und kultureller Traditionen. - Foto: Judith Heede

Für die Mönche ist Meditation der gelebte Alltag. Ihre Tage bestehen aus Gebeten, Ritualen und einer Einfachheit, die im Kontrast zu der hektischen Welt steht, aus der die meisten Besucher stammen. Techniken wie die «Shamatha»-Meditation für Ruhe und Klarheit oder «Tonglen», eine Übung für Mitgefühl, zeigen, wie der tibetische Buddhismus innere Balance lehrt. Für westliche Besucher mag das eine kleine Herausforderung sein, aber immerhin gibt es im Songtsam-Hotel (in Shangi-La befindet das chinesische Flagship der Gruppe) die Möglichkeit, Thangka-Malerei auszuprobieren – Meditation mit Pinsel statt Gebetsmühle.

Während die Stadt in Yunnan ihren paradiesischen Namen fleissig vermarktet, bleibt eines unbestreitbar: Die Aussicht ist himmlisch. Egal, ob Sie für die Spiritualität, die Fotomotive oder den PR-Gag hier sind – Yunnan hat seine ganz eigene mystische Magie. Und selbst wenn es vielleicht nicht das ursprüngliche Paradies ist, kommt es hier am Horizont des Himalaya nah dran.

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