Andermatt – ein Dorf erfindet sich neu
Seit Investor Samih Sawiris in Andermatt investiert hat, zieht es Gäste aus aller Welt an. Doch das Urner Bergdorf möchte nicht nur mit Tourismus auftrumpfen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Andermatt UR verläuft schon seit gut 15 Jahren nichts mehr normal.
- Ausgelöst wurde die Entwicklung durch den ägyptischen Investor Samih Sawiris.
- Heute ist das Bergdorf mit seinem Fünf-Sterne-Deluxe-Haus selbst in den USA ein Thema.
In den Bergen kann das Wetter schnell ändern; Andreas Meier weiss das. Auch in geschäftlichen Dingen dreht der Wind zuweilen schnell. Auch dies wusste Meier, als er vor fünf Jahren in Andermatt General Manager des Radisson Blu Hotel Reusen wurde. Doch dass gleich eine Ausnahmesituation auf die andere folgte, ahnte er nicht.
Meier fing an, eröffnete das Hotel und sah sich bald darauf gezwungen, alles wieder zuzusperren: Corona-Pandemie. Während über zwei Jahren war nichts mehr so, wie es mal war. «Wir sind mittlerweile ganz schön krisenerprobt», sagt er und fügt lachend hinzu: «Eigentlich wäre es schön, wenn wir zur Abwechslung mal ein gewöhnliches Jahr hätten.»
In Andermatt verläuft schon seit gut 15 Jahren nichts mehr normal. Das Dorf erfindet sich gerade neu. Ausgelöst wurde die Entwicklung durch den ägyptischen Investor Samih Sawiris, der hier am Fusse des Gotthards ein riesiges Ressort baut.
Knapp die Hälfte der Infrastruktur steht mittlerweile. Unter anderem auch das Chedi, ein Hotel der Luxusklasse. Auf einmal ist das beschauliche Bergdorf mit seinem Fünf-Sterne-Deluxe-Haus selbst in den USA ein Thema.
Schon Goethe schwärmte von der Region
Hier auf 1447 Metern über Meer ist alles steinig und rau. Doch Andermatt hatte es schon immer vielen angetan: Das Dorf ist eingebettet in eines der imposantesten Hochtäler der Schweiz, dem Urserntal. Bereits Johann Wolfgang von Goethe schwärmte davon: «Mir ist’s unter allen Gegenden, die ich kenne, die liebste und interessanteste», schrieb er 1779. So viel Zuspruch ist unbezahlbar – selbst heute noch.
Lange Zeit lebte Andermatt – bedingt durch seine Lage am Fusse des Gotthardpasses – vom Fremdenverkehr. In der Belle Époque wurde der Name gar im gleichen Atemzug wie St. Moritz oder Zermatt genannt.
Erst als die Kutschen verschwanden und die Autos durch den Gotthardtunnel fuhren, sah sich Andermatt zusehends auf der Verliererstrasse. Statt Touristen kamen später Soldaten und dies in nicht zu geringer Zahl: Andermatt wurde zu einem wichtigen Standort für die Armee.
Jüngst noch ein vergessenes Reiseziel
Hier im Herzen der Schweiz organisierte das Militär im Zweiten Weltkrieg die Landesverteidigung. Hier sollte sich der Bundesrat im Falle eines Angriffs in Sicherheit bringen. Dazu wurden die Berge ausgehöhlt. Das war keine Lösung für die Ewigkeit.
Schon vor der Jahrhundertwende wurden immer mehr militärische Anlagen aufgeben. Andermatt wurde definitiv zu einem «längst vergessenen Reiseziel».
Heute zählt Andermatt wieder zu den attraktivsten Investitionsstandorte in den Alpen. Es herrscht Aufbruchstimmung. Die Anzahl Gästebetten wird bald die 1000er-Marke übersteigen – eine stolze Zahl für ein 1500-Seelen-Dorf .
«Andermatt darf nie zu einer Geisterstadt werden. Solche Destinationen gibt es schon viel zu viele», betont Samih Sawiris. Aus diesem Grund wurde auch die Konzerthalle gebaut, die Platz für bis zu 650 Personen bietet.
«Wer würde schon im Oktober oder November nach Andermatt gehen, wenn es da nichts Spezielles gäbe? Zum Golfspielen ist es dann zu kalt, zum Skifahren fehlt noch der Schnee», sagt er. Nur mit einem Ganzjahresbetrieb sei es möglich, die Existenz der Region nachhaltig zu sichern.
Minergie-Standard und kein Plastik
Nicht nur wirtschaftlich hat sich das Resort der Nachhaltigkeit verschrieben. Bis 2030 soll der gesamte Betrieb klimaneutral sein. Einige Meilensteine wurden auf dem Weg dorthin schon erreicht. Gebaut wird immer nach Minergie-Standard.
Alle Immobilien wie auch die Lifte und Gondelbahnen in Andermatt und Sedrun werden vollständig mit erneuerbarer Energie versorgt. Energie von Wasserkraftwerken und Windanlagen aus dem Urserntal und der Surselva.
Der Golfplatz ist mit dem GEO-Siegel zertifiziert, einer global anerkannten Auszeichnung für Nachhaltigkeit in der Golfindustrie. Auf den Bergen gilt ein PET-Verbot und die Abfallmenge konnte zuletzt im ganzen Resort um 20 Prozent reduziert werden.
Gerade auf Letzteres ist Andreas Meier ein wenig stolz. In seinem Betrieb, dem Radisson Blu Hotel Reussen, beträgt die Abfallmenge noch 53 Gramm pro Gast und Mahlzeit. In Sachen Nachhaltigkeit hat auch im Tourismus der Wind gedreht.