Nachhaltigkeit: «Wo wir Einfluss nehmen können, tun wir das auch»
Der Schweizer Nordland-Reisespezialist Kontiki leistet Pionierarbeit in Sachen touristischer Nachhaltigkeit. Wir haben mit der Verantwortlichen gesprochen.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz gilt der Reiseveranstalter Kontiki als Pionier in Sachen Nachhaltigkeit.
- Wir wollten wissen, inwiefern Tourismus überhaupt nachhaltig sein kann.
Emma Arvidsson, es gibt Stimmen, die sagen, Tourismus ist per se nicht nachhaltig. Was antworten Sie darauf?
Wenn man die Nachhaltigkeit auf das Klima reduziert, wird es schwierig. Sobald man mobil ist, hat man einen Fussabdruck. Wobei es durchaus Möglichkeiten gibt, diesen sehr klein zu halten. Etwa indem man konsequent mit Velo und Zug verreist.
Sie denken bei Nachhaltigkeit also nicht nur ans Klima, bzw. den CO2-Ausstoss des Verkehrsmittels?
Die UNO hat mit den «Sustainable Development Goals (SDGs)» 17 Zielvorgaben für eine nachhaltige Entwicklung formuliert. Bei vielen der Themen kann der Tourismus positiven Einfluss nehmen.
Wenn etwa Zulieferer und Akteure ökologisch und sozial verträglich handeln, ist das ein Gewinn für alle. Im Tourismus hat man immer die Möglichkeit, sich zu entscheiden.
Wofür oder wogegen kann man sich entscheiden?
Zum Beispiel für eine Reisedauer, die im Verhältnis zur Anreise steht. Oder für die Wahl von besonders nachhaltig geführten Reisezielen. Als Veranstalter zudem für langjährige Partnerschaften vor Ort, von der Unterkunft bis zum Aktivitätenanbieter. Wo wir Einfluss nehmen können, tun wir das auch.
Worauf legt Kontiki bei seinen Partnern wert?
Wir betreiben eine positive Diskriminierung. Das heisst, wir arbeiten mit Partnern zusammen, die unsere Werte teilen.
In einigen Bereichen gelten Kodizes, zum Beispiel beim Tierschutz. Wir arbeiten nur mit Whalewatching-Unternehmen zusammen, die die entsprechenden Regeln befolgen. Etwa den Mindestabstand zu den Tieren, die Annährungsweise und das zeitige Abstellen des Motors.
Hat ein Unternehmen fachkundige Begleitung mit an Bord, oder bietet es eine «stille» Tour – z.B. mit einem Segel- statt einem Motorboot an – geben wir ihm den Vorzug.
Lässt sich das aus der Distanz kontrollieren?
Alles können wir nicht überprüfen oder steuern. Der Tourismus ist ein «People»-Business. Wir motivieren Kunden aber, uns Feedback zu geben. Und wir weisen sie auch auf einige Themen hin, beispielsweise dass sie kein Walfleisch essen.
Zurück zum Thema CO2-Ausstoss. Nicht jeder hat die Musse, mit dem Zug bis an den Polarkreis zu reisen.
Wenn es nicht ohne fliegen geht, empfehlen wir immer einen Direktflug, kombiniert mit möglichst langer Aufenthaltsdauer. Ausserdem hilft es, sich langsam und in kleinem Radius fortzubewegen. Und nach Südschweden gelangt man beispielsweise wunderbar mit dem Nachtzug via Hamburg.
In Südschweden begleiten Sie gerade eine nachhaltige Destinationsentwicklung. Was darf man sich darunter vorstellen?
Wir arbeiten mit der Organisation Tourism in Skåne an der Umsetzung ihrer Strategie «Tourism Matters». Ziel ist es, den Tourismus so auszugestalten, dass er einen Mehrwert sowohl für die Einheimischen wie für die Reisenden leistet. Wichtig ist dabei die Kollaboration entlang der ganzen Wertschöpfungskette und die Entwicklung von der Basis her.
Drei Regionen haben sich mit einer konkreten Herausforderung für das Projekt beworben und nutzen jeweils ihr eigenes Netzwerk von der Gemeinde bis zum Bootsverleiher und der Ladenbesitzerin, um gemeinsame Lösungen und Erlebnisse zu entwickeln. Hierzu wurden jeweils Ziele formuliert, die über touristische Angebote erreicht werden sollen.
Und was für Ziele sind das?
In Malmö findet die touristische Wertschöpfung vor allem im Stadtzentrum statt. Diese soll nun auch in die Aussenquartiere mit ihrer kulturellen Vielfalt getragen werden – damit die dortige Bevölkerung, deren Geschäfte und Restaurants miteinbezogen werden. Für Reisende ergeben sich daraus ganz neue Erlebnisse.
Der südlichste Zipfel Schwedens, Smygehuk, ist derzeit vor allem ein Selfiestop. Diese Region möchten wir in ihren vielen Facetten erlebbar machen.
Und Hässleholm ist zwar gut an den Verkehr angebunden, aber über die Ortschaft hinaus geht ohne Auto fast nichts – auch nicht für Einheimische. Ziel ist es, das zu ändern.
Was kann Kontiki zur Lösung dieser doch eher lokalen Problemstellungen beitragen?
In Malmö lenken wir das Augenmerk auf Themen wie Kulinarik, Urban Art oder Urban Farming – was es vor allem in den Aussenquartieren zu finden gibt.
In Hässleholm erarbeiten wir mit den Gemeindevertretern ein Netzwerk an ländlichen Shuttlerouten, um die Region nicht nur für Feriengäste attraktiver zu machen, sondern auch den Einheimischen das Auto zu ersparen.
Und rund um Smygehuk, die Kornkammer Schwedens, sensibilisieren wir unsere Kundschaft für die ausgesprochen lebendige und nachhaltige Kultur mit lokalen Produzenten, Wikingermuseum und grosser Keramiktradition.
Das hört sich nach einer Win-Win Situation an.
Es ist eine neue Art der Zusammenarbeit. Wir versuchen Grenzen auszuloten – und erschliessen so für Kontiki-Kunden auch neue, einzigartige Erlebnisse.