Viele Senioren in Japan sind Verbrecher
In Japan gibt es seit einigen Jahren ein trauriges Phänomen: Senioren verüben immer mehr Verbrechen, für die sie auch ins Gefängnis kommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Senioren gehen in Japan freiwillig ins Gefängnis.
- Der Freiheitsentzug ist leichter zu ertragen als die Einsamkeit.
In Japan gibt es seit einigen Jahren ein Phänomen, das aufhorchen lässt. Senioren verüben immer mehr Verbrechen und kommen dafür auch ins Gefängnis. Meistens handelt es sich bei den Delikten um kleinere Sachen wie Ladendiebstahl. Trotzdem reicht es aus, dass die Leute dann für ein bis drei Jahre ins Gefängnis müssen.
Doch was steckt genau dahinter? Dafür muss man einen Blick auf Japans Gesellschaft werfen.
Japan hat eine der tiefsten Geburtenraten und gleichzeitig eine der höchsten Lebenserwartungen weltweit. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt.
Familie verliert an Stellenwert
Gleichzeitig hat die Arbeit einen immer höheren Stellenwert. Immer mehr junge Leute ziehen in die Städte, um Jobs bei grossen Konzernen anzunehmen. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass die Familie immer mehr an Stellenwert verliert. Viele Kinder kümmern sich nicht mehr um ihre Eltern.
Gleichzeitig sinkt das Ansehen der älteren Menschen, sobald sie keiner Arbeit mehr nachgehen können. Viele Senioren vereinsamen dadurch immer mehr. Sie getrauen sich nicht um Hilfe zu bitten, aus Angst, ihr Gesicht zu verlieren.
Pro Jahr sterben über 30'000 Menschen einen «einsamen Tod». Das bedeutet, dass sie nach ihrem Tod teilweise monatelang von niemandem vermisst und gefunden werden.
Gefängnis gegen Einsamkeit
Deswegen geben ältere Menschen freiwillig ihre Freiheit auf, um dafür wieder in einem sozialen System eingegliedert zu sein. Bloomberg Businessweek hat eine grosse Reportage über dieses Phänomen gemacht.
Demnach haben viele Senioren im Gefängnis eine sichere Unterkunft, genügend zu Essen und Anschluss an soziale Kontakte. Zum ersten Mal seit Jahren, haben sie wieder einen geregelten Tagesablauf und Leute, die sich um sie kümmern. Eine Insassin sagte, dass sie sich auf der Polizeiwache zum ersten Mal seit Jahren wieder richtig wahrgenommen fühlte.
Viele Wiederholungstäter
Alarmierend ist auch die Tatsache, dass viele dieser Senioren Wiederholungstäter sind. Sie gehen tatsächlich lieber ein zweites und drittes Mal ins Gefängnis, als die Einsamkeit in ihren Wohnungen auszuhalten zu müssen.
Die japanischen Politiker haben eingesehen, dass dringend etwas unternommen werden muss. 2016 wurde darum vom japanischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, um rückfällige Senioren durch das Sozialsystem besser zu unterstützen.