«Der Leuchtturm» spinnt ein filmisches Seemannsgarn des Wahnsinns
Das Wichtigste in Kürze
- «Der Leuchtturm» von Robert Eggers lässt Robert Pattinson auf Willem Dafoe treffen.
- Das ungleiche Duo schuftet, flucht, säuft und tanzt sich gegenseitig ins Delirium.
- Der Film besticht durch seine Technik und eine eigenwillige Stimmung.
Thomas (Willem Dafoe) und Ephraim (Robert Pattinson) werden auf eine Insel geschickt, um den dortigen Leuchtturm zu warten.
Isoliert von der Aussenwelt geraten die beiden unterschiedlichen Männer rasch aneinander. Die angespannte Situation verschärft sich während eines heftigen Sturms. Bald entwickelt sich aus Kleinigkeiten ein psychologisches Gezanke.
Der amerikanische Regisseur Robert Eggers nimmt sich Zeit für seine Projekte. So erzählte er 2015 im ersten Spielfilm «The Witch» eine ausgeklügelte Folk-Horror-Geschichte im Neuengland um das Jahr 1630. Dafür konsultierte Eggers einige Historiker und las Bücher aus der damaligen Zeit.
Die Herangehensweisen für seinen zweiten Film ähneln sich. Als Grundlage für «Der Leuchtturm» dienten Tagebücher von Seemännern und Erzählungen aus dem 19. Jahrhundert. Jedes Gebäude im Film wurde zudem beim Drehort in der kanadischen Provinz Nova Scotia gebaut.
«Der Leuchtturm» setzt auf altmodische Techniken
Wohlfühlkino sieht anders aus. Bereits während den ersten Minuten entlädt das in Schwarz-Weiss gehaltene Bild ein Gefühl von Enge. Die trostlose Optik lässt die Hauptfiguren ausgemergelt erscheinen. Das Bild kommt im Seitenverhältnis von 1,19:1 daher, dieses Format hat man oft in der Ära des frühen Stummfilms eingesetzt.
Eggers hat das Drehbuch zusammen mit seinem Bruder Max geschrieben. Sie besitzen neben dem Gespür für Details auch eine morbide Form von Humor. So wird das Kammerspiel ab und zu etwas aufgelockert. Die merkwürdigen Tischgespräche zwischen den Akteuren sowie deren mimischen Verrenkungen wirken bewusst überzogen.
Das Schauspiel überzeugt mehrheitlich, wobei Pattinson von seinem Gegenüber Dafoe an die Wand gespielt wird. Ihre Charaktere sind aber alles andere als Identifikationsfiguren. Deshalb lässt einem deren Schicksal eher kalt. Der Mangel an emotionalen Ankerpunkten gehört neben der bruchstückhaften Handlung zu den Schwachpunkten des ansonsten stimmigen Films.
Der Wahnsinn kennt keine Grenzen
Als Einflüsse erwähnte Eggers in diversen Interviews die Erzählungen von Hermann Melville («Moby Dick») sowie den deutschen Impressionismus. Das Schaffen des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman («Persona») ist ebenfalls eine weitere Inspiration.
In ein definitives Genre-Korsett passt dieses groteske Stück Film nicht. Die Einordnung in die Horror-Schublade ist anhand der bedrückten Stimmung nachvollziehbar. Man kann es aber auch als Gemisch aus Drama, Theater und Tragikomödie bezeichnen.
Es ist im Grunde genommen überflüssig, «Der Leuchtturm» in eine Schublade zu stecken. Am Ende übernimmt der Wahnsinn, welcher bekanntlich keine Grenzen kennt.
Fazit
«Der Leuchtturm» ist handwerklich durchdachtes Kino mit einem sorgsam kontrollierten Tempo. Irgendwo zwischen Bergmans «Die Stunde des Wolfs» und alten Gruselgeschichten angesiedelt, fasziniert der Film aufgrund seiner unglaublich dichten Stimmung.
Dazu kommen zwei Hauptdarsteller, welche im wahrsten Sinne des Wortes entfesselt aufspielen. Der positive Gesamteindruck wird jedoch durch das Fehlen von sympathischen Figuren sowie einer hemdsärmeligen Handlung leicht getrübt.
Wer «The Witch» von Eggers schätzt, wird auch hier einige lang nachwirkende Momente erleben.