EU laut Ignazio Cassis bei flankierenden Massnahmen unnachgiebig
Einmal mehr: Keine Einigung im EU-Dossier. Der Bundesrat verhandelt weiter. Die Kohäsionsmilliarde will er aber bereits freigeben.
Das Wichtigste in Kürze
- Im EU-Dossier erzielt der Bundesrat weiterhin keine Fortschritte.
- Der grosse Streitpunkt bleiben die flankierenden Massnahmen.
- Trotzdem will der Bundesrat die Zahlung der Kohäsionsmilliarde an die EU freigeben.
Seit Monaten wartet die Schweizer Öffentlichkeit auf ein Ergebnis in Sachen EU-Rahmenabkommen. Sie ist auch am Freitag enttäuscht worden. Aussenminister Ignazio Cassis konnte einmal mehr keine Einigung verkünden. «Die Hoffnung ist da, der Wille ist da. Wir werden sehen, ob auch das Resultat kommt», sagte er vor den Bundeshausmedien.
Hauptgrund für die Blockade sind die flankierenden Massnahmen, insbesondere die 8-Tage-Regel und die Kautionspflicht. Die EU ist seit jeher der Meinung, dass diese Lohnschutzmassnahmen nicht vereinbar sind mit dem Freizügigkeitsabkommen. Weil es keinen Mechanismus zur Streitbeilegung gibt, kann sie nichts dagegen tun.
EU unnachgiebig
Die EU werde in dieser Frage auf keinen Fall einen Schritt zurück machen, sagte Cassis. «Sie wird sich nicht bewegen. Wir haben eine klare Antwort bekommen.» Auf der anderen Seite stehen die Schweizer Gewerkschaften. Sie sind nicht einmal bereit, sich an Gesprächen über den innenpolitischen Spielraum zu beteiligen. Trotz dieses Patts erkennt Cassis offenbar noch immer Handlungsspielraum.
Lösbare Probleme
Im Vergleich dazu scheinen alle anderen Streitpunkte bloss Nebenschauplätze zu sein, die zusammen mit den flankierenden Massnahmen ein Gesamtbild ergeben. Dazu gehört die Forderung der EU, dass die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie übernimmt. Ausserdem möchte Brüssel Bestimmungen zu staatlichen Beihilfen in das Rahmenabkommen aufnehmen. Die Arbeitslosenentschädigung für Grenzgänger könnte auch noch zum Thema werden.
In anderen Bereichen hätten die Verhandlungen in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht, sagte Cassis. Dazu gehört nach seinen Angaben der auf fünf Marktzugangsabkommen beschränkte Geltungsbereich und die Streitbeilegung, für die ein Schiedsgericht eingesetzt werden soll.
Wenig Zeit
Vorläufig will der Bundesrat also weiter verhandeln. Eine offizielle Deadline gibt es nicht. Das Zeitfenster schliesse sich aber bald, sagte Cassis. 2019 finden in der EU und in der Schweiz Wahlen statt. Der Bundesrat erwartet nicht, dass nach dem Jahreswechsel noch eine Einigung möglich ist.
Eines der wenigen Druckmittel der Schweiz ist die Kohäsionsmilliarde. Ende letzten Jahres hatte der Bundesrat in Betracht gezogen, die 1,3 Milliarden Franken zurückzuhalten, um einen Hebel in den Verhandlungen zu haben. Nun hat er entschieden, diese Zahlung freizugeben, sofern das Parlament zustimmt.
«Positive Dynamik»
Das Geld gehe aber nicht an die Kommission, sondern direkt in die Länder, sagte Cassis. Er verhehlte nicht, dass der Bundesrat damit auch Goodwill in einzelnen Mitgliedstaaten kreieren will. Dieser werde sich irgendwo niederschlagen.
Zudem hofft Cassis auch auf eine «positive Dynamik in den Verhandlungen über das Rahmenabkommen». Der Bundesrat wolle keine Hindernisse aufbauen. «Wir haben die Verantwortung, kohärent zu sein mit dem Ziel, das wir uns gesetzt haben.»
Dieses lautet: Bestmögliche wirtschaftliche Integration bei gleichzeitig grösstmöglicher politischer Unabhängigkeit. Vorläufig hält der Bundesrat ein Rahmenabkommen für den besten Weg zu diesem Ziel. Darüber werde er weiter verhandeln, sagte Cassis. Dann gelte es zu beurteilen, ob das Resultat für die Schweiz genüge. «Entweder klappt es, oder es klappt nicht.»