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Boeing setzt Produktion von Unglücksflieger 737 Max aus

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USA,

Statt 737-Max-Flugzeugen liefert der Airbus-Erzrivale Boeing weiter schlechte Nachrichten: Wegen der Startverbote für den Krisenjet setzt der Konzern die Fertigung bis auf Weiteres aus. Das könnte die US-Wirtschaft spürbar bremsen.

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Immer wieder verstecken sich Blinde Passagiere in Flugzeugen und kommen dabei ums Leben. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Boeings Firmenparkplatz ist ein Symbol der Krise - nagelneue 737 Max Jets soweit das Auge reicht.

Wegen Flugverboten, die nach zwei verheerenden Abstürzen verhängt wurden, können diese Maschinen seit Monaten nicht an Kunden ausgeliefert werden.

Rund 400 Flugzeuge wurden auf Halde produziert und mussten zuletzt zwischengelagert werden. Nun zieht der Airbus-Rivale die Notbremse: Boeing stoppt angesichts der Ungewissheit um eine Wiederzulassung der Unglücksflieger vorübergehend die Fertigung. Eine drastische Massnahme, die die US-Wirtschaft erheblich belasten dürfte.

Überraschend kam die am Montag nach US-Börsenschluss bekanntgegebene Entscheidung nicht. Vorstandschef Dennis Muilenburg hatte seit Juli wiederholt gewarnt, dass die 737-Produktion weiter gedrosselt oder ganz ausgesetzt werden könnte, falls sich die Wiederzulassung der Modellreihe länger als erwartet hinzieht. Die 737 Max ist wegen zwei Abstürzen, bei denen Hunderte Menschen starben, seit Mitte März rund um den Globus mit Startverboten belegt.

Mit dem nun angekündigten Schritt wählt Boeing eine radikale Option, die nur unter massivem Druck zustande gekommen sein kann. Wann die 737-Produktion wieder anlaufen könnte, dazu gab der Hersteller zunächst keinerlei Hinweise. «Wir werden weitere Finanzinformationen hinsichtlich der Fertigungsaussetzung in Verbindung mit unserem Quartalsbericht Ende Januar veröffentlichen», hiess es lediglich. «Boeings Ankündigung lässt viele Fragen offen», meint Analyst Seth Selfman von der US-Bank JPMorgan. Aber das sei wohl unausweichlich.

Denn in den letzten Tagen wurde immer deutlicher, wie angespannt das Verhältnis zwischen dem Flugzeugbauer und der US-Luftfahrtaufsicht FAA ist. Der Geduldsfaden der Regulierer scheint arg strapaziert, vergangene Woche wies FAA-Chef Steve Dickson Boeing sogar öffentlich zurecht. Er äusserte nicht nur Bedenken, dass der Konzern bei der 737 Max einen «unrealistischen» Zeitplan verfolge, sondern verbat sich auch weitere Statements von Boeing, die dazu angetan seien, den Druck auf seine Behörde beim Wiederzulassungsverfahren zu erhöhen.

Im November noch hatte Boeing Zuversicht verbreitet, vor dem Jahreswechsel grünes Licht von der FAA zu bekommen, um zumindest wieder mit den Auslieferungen der 737 Max beginnen zu können. Nachdem Dickson dem eine klare Absage erteilte, stieg an der Börse die Nervosität. Seit Tagen stehen Boeings Aktien unter Druck, auch eine stabile Dividende konnte Anleger nicht versöhnen. Die 737 Max - Boeings Bestseller und Profittreiber - ist momentan viel wichtiger.

Die Abstürze des Modells in Indonesien und Äthiopien, bei denen im Oktober 2018 und März 2019 insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen, haben den Flugzeugbauer in eine tiefe Krise gebracht. Boeing steht im Verdacht, die Unglücksflieger überstürzt auf den Markt gebracht und dabei die Sicherheit vernachlässigt zu haben. Der Hersteller weist dies zwar zurück, hat aber verschiedene Fehler und Pannen eingeräumt.

Im Zentrum der Krise steht das für die 737 Max entwickelte Steuerungsprogramm MCAS, das laut Untersuchungsberichten eine entscheidende Rolle bei den Abstürzen gespielt hat. Boeing hatte bereits nach dem Unglück in Indonesien versprochen, die MCAS-Probleme per Software-Update zu beheben. Wenig später kam es zum Absturz in Äthiopien. Das Update hat noch immer keine Zulassung der FAA, stattdessen gab es zuletzt auch noch Knatsch mit der Behörde.

Der Druck auf Boeing wurde auch finanziell und logistisch immer grösser. Zwar war die 737-Produktion bereits im April von 52 auf 42 Maschinen pro Monat gesenkt worden. Doch da die Flugzeuge bis zu einer Wiederzulassung nicht ausgeliefert werden können, entstehen hohe Kosten, denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen. Laut Boeing müssen Hunderte Jets zwischengelagert werden. Das führt zu Platzmangel - selbst Mitarbeiterparkplätze sind schon länger voll mit 737-Max-Fliegern, die Kunden nicht zugestellt werden können.

Doch das Debakel ist nicht nur für den Hersteller eine grosse Belastung, die immense Kosten und Imageschäden sowie Ermittlungen von Aufsichtsbehörden und hohe Klagerisiken verursacht hat. Da es um Boeings bestverkauftes Modell geht, für das es Tausende Bestellungen gibt, ächzt die gesamte Luftfahrtindustrie. Airlines müssen wegen des Ausfalls zahlreiche Flüge streichen. Allein für Entschädigungen dürfte Boeing nach Schätzung von Jefferies-Expertin Sheila Kahyaoglu schon mehr als elf Milliarden Dollar aufwenden müssen.

Der Tui-Konzern mit Sitz in Hannover hat 72 Maschinen des Typs 737 Max bis 2023 bestellt. Auch wenn bei der deutschen Airline Tuifly keine Flüge gestrichen wurden, trifft das Flugverbot den Konzern. Weil Tui 15 Flugzeuge des Typs bereits in der Flotte hat, mussten Ersatzmaschinen gemietet werden. Der Gewinn von Tui im Geschäftsjahr 2019 fiel dadurch um knapp 43 Prozent. Der Lufthansa-Ableger Sunexpress rechnet indes nicht mit grossen Auswirkungen auf seinen Flugplan. Man habe «an alternativen Szenarien gearbeitet, um sicherzustellen, dass wir unsere Kunden an ihre Zielorte im Sommer bringen können», sagte eine Sprecherin.

Für die US-Wirtschaft ist Boeings Krise eine erhebliche Belastung. Die Probleme der 737 Max haben das Wachstum in den vergangenen Quartalen spürbar gedämpft und könnten die Konjunktur noch stärker bremsen, warnen Experten. An Boeing hängen etliche Zulieferer, Airlines und andere Unternehmen, die die Schwäche des Flugzeugbauers zu spüren bekommen - es geht um zahlreiche Arbeitsplätze und viel Wirtschaftskraft. Vor allem die Aussenhandelsbilanz der USA leidet stark unter dem Auslieferungsstopp der 737 Max. Die Produktionspause dürfte die Lage jetzt noch weiter verschärfen.

Boeing betonte jedoch in seiner Mitteilung, dass zunächst keine Mitarbeiter entlassen oder beurlaubt würden. Vor allem den rund 12 000 Beschäftigten des 737-Hauptwerks in Renton bei Seattle bleibt damit - zumindest vorerst - ein Horrorszenario erspart. Die Fertigung auszusetzen, sei angesichts der kritischen Gesamtsituation auch für das grosse Zulieferernetz derzeit noch die vergleichsweise schonendste Lösung, so Boeing. Die Alternative wäre eine erneute Drosselung der Produktion gewesen - doch angesichts des hohen Aufwands und der komplexen Lieferketten wären die Fixkosten hoch und die Fertigung grosser Flugzeuge lässt sich nicht einfach so rauf- und runterfahren.

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