Coronavirus: Retten chinesische Antikörper bald Schweizer Leben?
Antikörper aus dem Blut bereits genesener Covid-19-Patienten könnten das Coronavirus bekämpfen. Amerikanische Forscher schlagen ein neues Vorgehen vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Amerikanische Forscher schlagen eine Corona-Behandlung mit Rekonvaleszenten-Plasma vor.
- Antikörper aus dem Blutplasma genesener Patienten könnten einer Erkrankung vorbeugen.
Zahlreiche Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten derzeit an möglichen Impfstoffen gegen das Coronavirus. Bis jedoch ein marktreifer Impfstoff in genügenden Mengen zur Verfügung steht, könnte es noch Monate dauern. US-amerikanische Wissenschaftler schlagen nun eine effiziente Behandlung mittels «Rekonvaleszenten-Plasma» vor.
Die Antikörper, die der Organismus benötigt, um das Coronavirus zu bekämpfen, sind im Blutplasma bereits genesener Patienten reichlich vorhanden. Mittels einer Blutplasma-Transfusion könnten diese Antikörper auf Risikopersonen übertragen werden, um einer Erkrankung vorzubeugen.
Antikörper-Behandlung wurde bereits erfolgreich angewendet
Vorgeschlagen wurde das Vorgehen in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Artikel von Arturo Casadevall und Liise-anne Pirofski. Sie sind Professoren an der Johns Hopkins School of Public Health.
Die beiden belegen, dass die Behandlung mittels sogenanntem «Rekonvaleszenten-Plasma» bereits früher erfolgreich eingesetzt worden sei.
Bereits während der Spanischen Grippe 1918 wurde die Behandlung mittels Rekonvaleszenten-Plasma erfolgreich angewandt. Auch bei jüngeren Epidemien, zuletzt beim Ebola-Ausbruch in Westafrika 2013, wurde die Methode vereinzelt eingesetzt. In den dazu veröffentlichten Studien belegen Mediziner den Erfolg der Behandlung.
Bei der MERS-Epidemie von 2012 im Nahen Osten wurde die Behandlung mittels Rekonvaleszenten-Plasma ebenfalls erfolgreich genutzt. Und die MERS-Epidemie wurde ebenfalls von Viren aus der Corona-Familie verursacht.
Der Einsatz beschränkte sich zwar meist auf einen kleinen experimentellen Rahmen. Doch die Behandlungsmethode scheint den Autoren in der aktuellen Situation trotzdem erfolgversprechend.
Kein Ersatz für eine Impfung des Coronavirus
Antikörper werden von weissen Blutzellen produziert, um spezifische Krankheitserreger zu bekämpfen. Gelingt es, diese aus dem Blut einer genesenen Person zu übertragen, können sie weiterhin ihre heilende Funktion erfüllen.
Dabei helfen Antikörper sowohl bei der Krankheitsbekämpfung als auch bei der Prophylaxe: Die Antikörper können eine Erkrankung aktiv verhindern.
Dennoch kann die Blutplasma-Methode eine Impfung nicht ersetzen: Nach einer erfolgreichen Impfung stellt der Körper selbst Antikörper her. Wird die Behandlung mittels Rekonvaleszenten-Plasma eingestellt, lässt der Effekt nach einer Weile nach.
Die Behandlungsmethode benötigt daher grössere Mengen an Blut von genesenen Covid-19-Patienten. Die Zahl der auskurierten Patienten in Europa ist jedoch noch gering.
Deswegen könnten für eine Bekämpfung der Pandemie grosse Mengen an Spenderplasma aus China kommen. Dort ebbt die Krankheitswelle des Coronavirus derzeit bekanntlich ab.
«Das könnte schwierig werden», sagt Dr. Barbara Bialucha-Nebel, Oberärztin der deutschen Kirchberg-Klinik. «Die Entnahme von Antikörpern geht mit einer Schwächung des Immunsystems des Spenders einher. Es dürften sich daher nur wenige Freiwillige finden, die zu einer Antikörper-Spende bereit sind.»
Die Menge an Antikörpern, die angesichts der aktuellen Krise benötigt wären, sei sicher nicht kurzfristig herstellbar, so Bialucha-Nebel.
«So bald wie möglich mit den Vorbereitungen beginnen»
Obwohl die Behandlungsmethode in der Vergangenheit immer wieder zur Anwendung kam, ist sie nach wie vor experimentell. Nachdem vorherige Epidemien wieder abgeflaut waren, blieb eine ausführliche Erforschung der Methode aus.
Für eine Behandlung grosser Teile der Bevölkerung fehlt ausserdem die Infrastruktur, da Plasmatransfusionen deutlich aufwändiger sind als Impfungen.
Casadevall schlägt daher vor, die Methode gegen das Coronavirus zuerst beim Krankenhauspersonal einzusetzen. Damit soll die personelle Versorgung der Spitäler sichergestellt und einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems vorgebeugt werden.
«Da wir uns mitten in einer weltweiten Pandemie befinden, empfehlen wir den Institutionen, den Notfall-Einsatz zu erwägen», schreibt Casadevall.
Man sollte so schnell wie möglich mit den Vorbereitungen beginnen, so der Professor. «Zeit ist von entscheidender Bedeutung.»