Donald Trump: Sein Putin-Kurs spaltet die Amerikaner
Der Eklat um Selenskyjs Besuch zeigt die Strategie von Donald Trump: Die USA sollen sich sicherheitspolitisch neu ausrichten – auch auf Kosten der Ukraine.
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Das Wichtigste in Kürze
- Trump und Vance werfen Selenskyj fälschlich Undankbarkeit vor.
- Ziel ist, die US-Öffentlichkeit gegen die Ukraine zu wenden.
- Die USA fokussieren sich stärker auf China als Bedrohung.
Es war das dominierende Thema der letzten Tage: Der Eklat beim Besuch von Wolodymyr Selenskyj im Weissen Haus.
Donald Trump und Vizepräsident J.D. Vance machten dem Präsidenten der Ukraine heftige Vorwürfe. So unterstellten sie Selenskyj beispielsweise «Undankbarkeit» in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine durch die USA.
Die nachweislich falschen Vorwürfe von Donald Trump haben ein Ziel
Dieser Vorwurf ist nachweislich falsch: In den letzten Jahren sind zahlreiche Danksagungen von Selenskyj an die amerikanische Regierung dokumentiert worden. Donald Trump und J.D. Vance verfolgen mit ihren Anschuldigungen andere Ziele.
Es dürfte dem US-Duo eher darum gehen, die amerikanische Öffentlichkeit auf Anti-Ukraine-Kurs zu bringen. Und das gelingt wirkungsvoller, wenn man Selenskyj und der Ukraine in aller Öffentlichkeit Undankbarkeit unterstellt.
In eine ähnliche Richtung geht die absurd anmutende Diskussion betreffend Anzug: Wenn mangelnder Respekt Selenskyjs vor den amerikanischen Sitten und Bräuchen suggeriert wird, löst das im US-Publikum etwas aus.
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Martin Thunert ist Politologe am Heidelberg Center for American Studies. Auch er vermutet ein Kalkül hinter der Eskalation vom Freitag.
«Die Trump-Administration will den Amerikanern klarmachen, dass sich die Europäer ihre Sicherheit seit Jahrzehnten von den amerikanischen Steuerzahlern bezahlen lassen. Auch die Ukrainer.»
Die USA fürchten die Gefahr aus China
Und damit müsse – aus Sicht der US-Regierung – nun Schluss sein. «Die Botschaft ist: Europa ist in Sachen Sicherheit ein Trittbrettfahrer der USA. Obwohl Europa reich und stark genug wäre, selbst für seine Sicherheit zu sorgen.»
Wer dies nicht akzeptiere, sondern weitergehende Forderungen nach amerikanischen Sicherheitsgarantien verlange wie Selenskyj, gelte als undankbar.
Einige Beobachter machten ein anderes Ziel in der Strategie der Administration von Donald Trump aus, erläutert Thunert: «Gemäss diesen will die Trump-Administration um fast jeden Preis verhindern, dass sich Russland dauerhaft stark an China annähert.»
Um dies zu erreichen, seien Donald Trump, Vance und Hegseth bereit, Russland sehr weit entgegenzukommen. «Wenn nötig auch auf Kosten der Ukraine und der europäischen Verbündeten.»
Sogar Experten der Republikaner bezweifelten aber, dass die Neuausrichtung der US-Politik gegenüber Russland von China wegrücken werde. Auch sein Expansionsdrang nach Osteuropa werde dadurch nicht gebremst.
Donald Trump: Strategie spaltet die Amerikaner
Wie wird das Fiasko vom Freitag in den USA denn aufgenommen? Thunert: «Sehr unterschiedlich. Die Anhänger der Regierung sehen in Trump und Vance weiterhin die wahren Verteidiger amerikanischer Interessen.»
Die Gegner seien dagegen entsetzt, wie weit Donald Trump und Vance bereit sind, den Russen entgegenzukommen.
«Wieder andere, zu denen auch ich mich zählen würde, sehen hinter dem Agieren von Donald Trump noch keine echte Strategie. Kein Vorgehen, das dazu beitragen würde, sowohl die Russen von den Chinesen abzukoppeln. Und auch keine Strategie, einen akzeptablen Waffenstillstand für die Ukraine zu erreichen.»
Gleichzeitig sähen es viele wie der NATO-Generalsekretär Mark Rutte: Bei aller Sympathie für Selenskyj könne sich die Ukraine nicht leisten, vollständig mit der Trump-Administration und den USA zu brechen.
«Die Ukraine wird gezwungen sein, ihr Verhältnis mit den USA zu reparieren. Selbiges riet Keir Starmer Selenskyj hinter verschlossenen Türen.»
Wie sehen die Menschen in den USA den Ukraine-Krieg denn grundsätzlich? Thunert: «Die Amerikaner fühlen sich vom heutigen Russland – anders als seinerzeit von der Sowjetunion – nicht wirklich bedroht.»
Die gefühlte Gefahr ginge eher von China oder von einem chinesisch-russischen Block unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas aus. «Der Ukraine-Krieg steht deshalb nicht so im Zentrum des öffentlichen Interesses wie in Europa.»
Amerikaner keine Freunde der bedingungslosen Ukraine-Unterstützung
Dazu komme: «Eine Mehrheit hat Trump auch aus einem anderen Grund gewählt. Sie ist der Meinung, dass Amerika seine Aufmerksamkeit primär auf die Lösung innerer Probleme richten sollte.»
Das bedeute zwar nicht, dass eine Mehrheit der Amerikaner dafür sei, die Ukraine Putins Russland zum Frass vorzuwerfen.
«Doch die Amerikaner sind mehrheitlich eben auch nicht bereit, dass die USA bedingungslos der Hauptunterstützer der Ukraine sein soll.»
Und was bedeutet das alles für die Zukunft Europas? Thunert: «Man darf noch immer auf das Beste hoffen, muss aber für das Schlimmste gewappnet sein.»