Die US-Regierung wettert gegen EU-Importe von russischem Erdgas über die neue Pipeline Nord Stream 2. Aber inzwischen haben auch amerikanische Anbieter in der EU einen Fuss in der Tür. Nicht jeder findet das sinnvoll.
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Zwei Container mit Flüssiggas auf einer LNG Hybrid Barge im Cruise Center Hafencity in Hamburg: US-Präsident Trump kritisiert immer wieder, dass Europa künftig über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 mehr russisches Gas importieren will. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Der amerikanische Druck wirkt: Nach einem Deal mit US-Präsident Donald Trump im Handelsstreit hat die Europäische Union ihren Import an US-Flüssiggas seit Juli um 272 Prozent gesteigert.
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Die Zahl nannte die EU-Kommission bei einer Konferenz, die dem Flüssiggasgeschäft noch mehr Schub geben soll. Umweltschützer protestieren, weil das US-Gas mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird. Auch die deutschen Gaskunden hätten nichts davon, denn das US-Gas sei vergleichsweise teuer, sagen Experten.

Auf dem vorläufigen Höhepunkt des Handelsstreits mit gegenseitigen Strafzöllen war EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juli 2018 zu Trump gereist und hatte eine Art Waffenstillstand ausgehandelt. Unter anderem sagte Juncker zu, dass die EU mehr US-Flüssiggas abnimmt, in der Fachsprache LNG genannt. Vorher hatte Trump massive Kritik an der neuen Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland geübt, die Ende 2019 fertig werden und noch mehr russisches Gas in die EU bringen soll.

Diese Kritik wiederholte US-Energieminister Rick Perry bei der Brüsseler Konferenz. Nord Stream 2 mache Europa noch abhängiger von russischem Gas und erlaube Moskau, Druck auf europäische Staaten auszuüben. Perry äusserte sich aber vergleichsweise zurückhaltend und lobte die Entscheidung der Bundesregierung, mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren und zwei neue Anlandeterminals finanziell zu unterstützen.

Nord Stream 2 ist auch in Europa äusserst umstritten. Zuletzt hatte CSU-Europapolitiker Manfred Weber Widerstand angekündigt, wenn er neuer EU-Kommissionschef wird. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte indes der Deutschen Presse-Agentur, die CDU habe «immer gesagt, wir stehen auch zu diesem Projekt, ob es jetzt ein Herzensanliegen ist oder nicht».

Kritik kontern Bundesregierung wie auch EU-Kommission auch mit dem Argument, man öffne sich ja anderen Bezugsquellen. Umso stolzer präsentierte die Kommission die enorme Steigerung der US-Gasexporte in die EU seit der Vereinbarung vom Juli 2018. Die 272 Prozent Steigerung bezog sie auf eine Vergleichszahl für den gesamten Zeitraum von Anfang 2016 bis zu Junckers Treffen mit Trump: Bis dahin waren insgesamt rund drei Milliarden Kubikmeter aus den USA in die EU verschifft worden; seither kamen etwa 7,4 Milliarden Kubikmeter hinzu. Insgesamt waren es also seit Anfang 2016 rund 10,4 Milliarden Kubikmeter.

Gemessen am gesamten EU-Gasverbrauch von rund 480 Milliarden Kubikmetern pro Jahr ist das wenig. Zum Vergleich: Über Nord Stream 2 sollen bis zu 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr fliessen. Auch wenn man nur Import-Flüssiggas betrachtet, ist der US-Anteil von 13,4 Prozent klein.

US-Minister Perry räumte ein, dass US-Flüssiggas teurer ist als russisches Erdgas. Doch könne es nicht nur um den Preis gehen, sondern auch um Verlässlichkeit. «Wenn man sich nur darum kümmert, wie billig das Angebot ist, dann wird man womöglich keinen BMW oder Mercedes Benz kaufen oder ein anderes der schönen Automobile aus der Europäischen Union», sagte Perry. «Man kann vielleicht woanders billiger kaufen, aber das ist vielleicht nicht zuverlässig. Das ist dasselbe mit russischem Gas.»

Die deutsche Energieexpertin Claudia Kemfert hält es zwar für richtig, sich weniger abhängig von russischem Gas zu machen. Doch bewertet die Fachfrau des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung die Abmachung der EU mit den USA kritisch.

«Es ist durchaus sinnvoll, stärker auf Flüssiggas zu setzen, aber das amerikanische Frackinggas ist sehr teuer und umweltschädlich, und das widerspricht den Umweltzielen Europas», sagte Kemfert der Deutschen Presse-Agentur. «Auf dem freien Markt gibt es zahlreiche Anbieter, und die sind auch häufig preiswerter.» Grosse LNG-Exporteure sind nach EU-Angaben zum Beispiel Katar, Nigeria oder Algerien.

Insgesamt gebe es auf dem Gasmarkt ein Überangebot, sagte Kemfert: «Aus diesem Grund suchen die Amerikaner offensichtlich Absatzmärkte und sie nutzen Gas als politisches Druckmittel. Das widerspricht ja den Zielen eines freien Marktes. Gas ist hier zur politischen Waffe geworden.» Das grosse Angebot werde zwar zu insgesamt sinkenden LNG-Preisen führen. «Das gilt aber nicht für gefracktes Gas, Fracking ist vergleichsweise teuer», sagte Kemfert.

Beim Fracking wird Gas oder Öl mit Hilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten herausgeholt, was Gefahren für die Umwelt birgt. Umweltschützer kritisieren auch die Verflüssigung durch starkes Abkühlen, weil diese bis zu 25 Prozent des Energiegehalts des Gases kostet. Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte das Brüsseler Treffen und warnte, wachsende Gasimporte seien insgesamt mit den Klimazielen nicht vereinbar.

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