Rabbi zu Geiselnahme in US-Synagoge: Konnten selbst flüchten
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei Tage nach der Geiselnahme in einer Synagoge im US-Bundesstaat Texas sind neue Details zu der Tat bekanntgeworden.
Eine der Geiseln, Rabbi Charlie Cytron-Walker, gab am Montag in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS Einblick in die dramatischen Stunden mit dem Geiselnehmer und berichtete, er und die anderen Festgehaltenen hätten sich am Ende selbst befreien können. Als er eine Gelegenheit gesehen habe, habe er einen Stuhl auf den Täter geworfen und sei gemeinsam mit den anderen Geiseln geflüchtet, erzählte der Rabbi. Sie hätten sich befreien können, «ohne dass ein einziger Schuss fiel».
Ein Mann - laut Polizei ein 44 Jahre alter Brite - hatte Cytron-Walker und drei andere Personen am Samstag in der Synagoge in Colleyville nahe Dallas als Geiseln genommen. Eine Geisel wurde am frühen Samstagabend freigelassen. Die übrigen Festgehaltenen kamen erst ein paar Stunden später frei. Alle vier blieben unverletzt. Der Täter kam ums Leben. Ursprünglich hatte es geheissen, Spezialkräfte seien in das Gotteshaus eingedrungen und hätten die Geiseln befreit. Die Polizei hat sich bislang allerdings nicht im Detail zu den Umständen rund um das Ende der Geiselnahme geäussert und auch offen gelassen, wie genau der Täter starb.
US-Medien hatten unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet, der Geiselnehmer habe eine in Texas inhaftierte pakistanische Wissenschaftlerin freipressen wollen, die 2010 wegen versuchten Mordes an US-Soldaten in Afghanistan verurteilt wurde.
Cytron-Walker sagte, in der letzten Stunde der Geiselnahme habe sich die Lage verschlechtert. Der Täter habe nicht bekommen, was er wollte. «Es sah nicht gut aus», erzählte der Rabbi. «Wir hatten grosse Angst.» Als sich die Gelegenheit geboten habe, seien sie geflüchtet.
Der Geiselnehmer drang nach Angaben des Rabbi nicht gewaltsam in die Synagoge ein. Er klopfte an eine Tür und bat um Einlass - wohl unter dem Vorwand, er suche Obdach. Cytron-Walker sagte, er habe den Mann hereingelassen, ihm einen Tee gemacht und sich mit ihm unterhalten. In diesem Moment sei ihm nichts Verdächtiges aufgefallen. Erst bei dem anschliessenden Gottesdienst, als er mit dem Rücken zu dem Mann gestanden habe, habe er ein Klicken gehört. «Und es stellte sich heraus, dass das seine Waffe war.»
Der Rabbi betonte, die anderen Geiseln und er seien nicht körperlich verletzt worden. Doch die Situation sei sehr bedrohlich gewesen. «Wir sind noch dabei, das zu verarbeiten.»
Die Bundespolizei FBI hat den Geiselnehmer als den britischen Staatsbürger Malik Faisal A. identifiziert und nach eigenen Angaben Ermittlungen «mit globaler Reichweite» zum Motiv und möglichen Kontakten des Mannes gestartet. Der britische Nachrichtensender Sky News berichtete unter Berufung auf den Bruder des Geiselnehmers, der Mann habe unter schweren psychischen Problemen gelitten. Der Bruder soll nach eigenen Angaben an den Verhandlungen mit dem Geiselnehmer teilgenommen und versucht haben, ihn zur Aufgabe zu bewegen. Es habe aber nichts gegeben, was ihn dazu hätte bringen können, zitierte Sky News den Bruder. Die Familie entschuldige sich bei den Opfern, berichtete der Sender weiter.
Nach der Geiselnahme in Texas nahm die Anti-Terror-Polizei in Grossbritannien zwei junge Männer fest. Die beiden Teenager seien im Süden Manchesters gefasst worden und würden nun vernommen, teilte die zuständige Ermittlungsbehörde in der Nacht zu Montag über Twitter mit. Weitere Details wurden zunächst nicht bekanntgegeben. Der Moscheeverband Muslim Council of Britain teilte mit, man gehe davon aus, dass es sich um einen Muslim gehandelt habe und verurteilte die Tat aufs Schärfste. Der Mann habe die Erwartungen an einen Muslim bei Weitem nicht erfüllt, so die Mitteilung.
Die «Washington Post» berichtete am Montag unter Berufung auf Ermittlerkreise, der Geiselnehmer von Colleyville sei Ende Dezember per Flugzeug in die USA eingereist. US-Präsident Joe Biden hatte am Sonntag gesagt, man gehe derzeit davon aus, dass der Mann seine Waffen auf inoffiziellem Weg gekauft habe. Bomben habe er, anders als von ihm selbst dargestellt, wohl nicht bei sich gehabt. Der Mann habe ausserdem eine Nacht in einer Obdachlosenunterkunft verbracht. Biden bezeichnete die Tat als «Terrorakt».
US-Medien hatten unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet, der Mann habe die Freilassung der pakistanischen Wissenschaftlerin Aafia Siddiqui aus einem nahe gelegenen Gefängnis in Texas erreichen wollen. Siddiqui wurde im Juli 2008 im afghanischen Ghasni festgenommen und 2010 wegen eines Angriffs auf US-Soldaten in Afghanistan von einem US-Bundesrichter zu 86 Jahren Haft verurteilt. Siddiqui hatte an einer der US-Elite-Universitäten studiert. Später wurde ihr Name von US-Behörden auf eine Liste von Verdächtigen gesetzt, die mit Al-Kaida-Terroristen in Verbindung stehen könnten.