Neue Möglichkeiten mit Weltraumteleskop «James Webb»

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USA,

Es soll tief ins Universum blicken. Im Herbst soll das «James Webb Space Telescope» ins All starten. Forscher sind sicher: Es wird Dinge sehen, von denen die Menschheit bislang nichts geahnt hat.

Die von Northrop Grumman über die Nasa verbreitete Computergrafik aus dem Jahr 2015 zeigt das «James Webb»-Teleskop. Foto: -/Northrop Grumman/Nasa/dpa
Die von Northrop Grumman über die Nasa verbreitete Computergrafik aus dem Jahr 2015 zeigt das «James Webb»-Teleskop. Foto: -/Northrop Grumman/Nasa/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Wissenschaftler hoffen auf einen Blick zurück in die Frühzeit des Weltalls nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren.

Auf Bilder von Sternen, die älter sind als unser Sonnensystem und vielleicht nicht mehr existieren.

Möglicherweise gar Hinweise auf eine zweite Erde, einen blauen Planeten. Forscher erwarten mit dem für Herbst geplanten Start des «James Webb Space Telescope» (JWST) völlig neue Erkenntnisse. «Es wird einfach gigantische neue Fenster eröffnen und neue Möglichkeiten», sagt der Direktor für Wissenschaft bei der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, Günther Hasinger.

Der Start des rund zehn Milliarden Dollar teuren Projekts der amerikanischen und kanadischen Weltraumagenturen Nasa sowie der Esa war immer wieder verschoben worden. Nun soll das gigantische Teleskop, quasi als Paket verpackt, im Herbst an Bord einer Ariane Trägerrakete starten und mit seinen vier Infrarot-Instrumenten weitaus tiefer ins All fliegen als sein Vorgänger, das seit mehr als 30 Jahren arbeitende Weltraumteleskop «Hubble».

Dies aber birgt ein Risiko: Während «Hubble» in 500 Kilometern Höhe mit Shuttle-Flügen mehrfach repariert und gewartet wurde, geht das beim «James Webb Space Telescope» in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung nicht mehr. Das Teleskop mit seinem 6,5 Meter grossen Spiegel und einem Tennisplatz-grossen Sonnenschutz braucht Hasinger zufolge mehr als 130 Einzelmechanismen, um sich zu entfalten. «Es ist ein sehr, sehr kompliziertes Spiel, was da ablaufen muss, bis alles entfaltet ist.» Er vergleicht das mit einem Schmetterling: «Die Raupe verpuppt sich, und dann bricht die Puppe auf, und der Schmetterling entfaltet sich.»

Dieser Prozess beginnt bereits auf dem Weg zum Ziel. «Es gibt im Sonnensystem fünf Punkte, an denen sich die Schwerkraft gegeneinander aufhebt», sagt Hasinger. Der Zielort sei einer davon. Dort, mit Erde und Sonne im Rücken und mit dem Sonnensegel geschützt vor Wärmeeinstrahlung, könnten die Instrumente mit ihren Messungen in unterschiedlichen Infrarotwellen beginnen. Dafür werden sie teils runtergekühlt. «Es wird das erste kalte Teleskop. Wenn man Infrarotstrahlen messen will, das ist ja Wärmestrahlung, dann muss das Teleskop selber sehr kalt sein», sagt Hasinger.

Bis zu ersten Untersuchungen werde es ungefähr sieben Monate dauern. Erste Bilder werde man voraussichtlich im kommenden Juli sehen, glaubt Hasinger. Ein vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg mitentwickeltes Instrument, eine Kombination aus Kamera und Spektograf, ist nach Angaben des Instituts so empfindlich, dass es eine brennende Kerze auf einem Jupitermond nachweisen könnte.

«Dichte Molekülwolken mit viel Staub und Gas sind die Entstehungsgebiete neuer Sterne und Planeten. Der Staub absorbiert jedoch das uns vom Sehen her vertraute sichtbare Licht, und wir könnten deshalb deren innere Regionen nur schwer oder überhaupt nicht detailliert studieren», sagt Klaus Jäger von dem Max-Planck-Institut. Für das längerwellige Infrarotlicht ist Staub ein viel geringeres Hindernis. «Beobachtungen im Infrarot erlauben uns daher, quasi in diese Bereiche hineinzusehen beziehungsweise die Infrarotstrahlung aus dem Inneren zu empfangen.»

Mit dem Teleskop sind Hasinger zufolge eine Tiefendurchmusterung des frühen sich ausbreitenden Universums und auch eine Absuche der Sternenentstehungsgebiete geplant. «Aber dann wird auch ein Grossteil an Beobachtungszeit an die extrasolaren Planeten gehen.» Das Teleskop könne die Atmosphäre solcher Exoplaneten auf Moleküle untersuchen, die möglicherweise auf biologische Aktivität hinweisen. «Ob das gelingt oder nicht, hängt natürlich davon ab, ob wir die richtigen Planeten finden.»

Die Stärke des Teleskops liege in der Spektroskopie - also dass man von jedem Punkt am Himmel einen chemischen Fingerabdruck nehmen kann. «Ein Bild ist ja wunderschön anzuschauen. Was wir mit «James Webb» bekommen ist eben, in jedem einzelnen Bildelement können wir auch noch 1000 andere Informationen ablesen», sagt Hasinger. Etwa ob irgendwo Wasser überhaupt möglich sei. Interessant seien natürlich erdnahe Planeten. «Man möchte ja irgendwann mal einen Planeten finden, der möglichst erdähnlich ist und wo Wasser existiert und der nah genug ist, dass vielleicht zukünftige Generationen auch mal dahin fliegen können.»

So könnte möglicherweise eine Erde 2 gefunden werden. Das Teleskop «wird möglicherweise Charakterisierungen machen können, ob es da Sauerstoff gibt oder Ozon oder mögliche andere Biomoleküle». Möglich sei das in einer Distanz bis 1000 Lichtjahre. Zur Dimension: Ein Lichtjahr beschreibt die Entfernung, die Licht in einem Jahr zurücklegt - fast 9,5 Billionen Kilometer. Von der rund 150 Millionen Kilometer entfernten Sonne braucht Licht zur Erde etwa acht Minuten.

Mit dem Teleskop sollen die ersten nach dem Urknall entstandenen Galaxien beobachtet werden, hatte Nasa-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen Anfang Juni gesagt. Demnach soll es einen Blick in die Vergangenheit vor 13,5 Milliarden Jahren bieten - um einiges weiter zurück als sein Vorgänger «Hubble».

«Es wird uns so viel Neues zeigen, dass wir mit den Ohren schlackern», sagt Hasinger. «James Webb» arbeite im infraroten, «Hubble» im optischen und ultravioletten Bereich. Es wäre ideal, wenn Hubble noch möglichst lange arbeiten würde. «Denn dann bekäme man das gesamte Band des Regenbogens.»

Für das nach dem früheren Nasa-Chef James Edwin Webb benannte Teleskop rechnet Hasinger mit einer Lebensdauer von zehn Jahren. Dann gehe ihm quasi der Treibstoff aus. Für das seit rund 25 Jahren entwickelte Projekt habe die Nasa anfangs mit Kosten von rund 500 Millionen Dollar gerechnet. «Da haben sich die damaligen Wissenschaftler und Ingenieure einfach sehr, sehr stark verschätzt», sagt Hasinger.

Der Nutzen des Zehn-Milliarden Dollar-Projekts liegt für Hasinger dennoch auf der Hand. «Der Mensch als solcher ist ja neugierig und versucht immer, alles in seiner Umgebung zu verstehen.» Es gehe um die Frage, wo kommen wir her und wo gehen wir hin. «Es ist die Frage, wie ist das Universum entstanden und wie wird es sich weiter entwickeln? Wie ist die Galaxie, das Sonnensystem, das Leben entstanden?»

Jäger sagt: «Eines steht aber meiner Meinung nach schon fest und ist eine Erfahrung aus vielen anderen Meilensteinprojekten: Wir werden mit «JWST» Entdeckungen machen, von denen wir jetzt noch nichts ahnen!»

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