Russen-Hardliner nutzen L.A.-Brände für Propaganda
Auf verschiedenen Kanälen zeigen russische Akteure wegen der L.A.-Brände Schadenfreude –oder äussern Vorwürfe an die USA. Experten ordnen ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Auch in Russland sind die Feuer in Los Angeles Thema.
- Teilweise nutzt man die Katastrophe für Propaganda – aber nicht nur.
- Vor allem Hardliner zeigen Schadenfreude, die offiziellen Medien berichten eher sachlich.
Die verheerenden Brände in Los Angeles sorgten weltweit für Aufsehen. In vielen Medien waren und sind die Feuer sowie deren Folgen Thema. Und natürlich wurde in den sozialen Netzwerken ebenfalls hitzig darüber diskutiert.
Auch in Russland hat man die Brände in den USA wahrgenommen. Auf den ersten Blick scheinen die Geschehnisse in den Vereinigten Staaten perfekt ins Narrativ des Kremls zu passen. Denn die US-Behörden gerieten unter anderem wegen Misswirtschaft in die Kritik.
Präsident Wladimir Putin nährte in der Vergangenheit immer wieder die Erzählung des «dekadenten Westens». Dieser konzentriert sich aus der Sicht Russlands nicht mehr auf die wichtigen Dinge für die Bevölkerung wie Sicherheit oder Wirtschaft. Sondern auf «woke» Dinge wie Gender-Themen.
Russia Today: Ideologie über Kompetenz gestellt
So überrascht es nicht, dass «Russia Today» in einem Meinungsartikel dem «Woke-Virus» die Schuld für die Brände gibt. Zu Beginn des Textes heisst es: «Die Ideologie über die Kompetenz zu stellen, ist ein gefährliches Spiel, das zu unvorstellbarem Verlust und Leid führen kann.»
Ulrich Schmid, Russland-Experte von der Universität St. Gallen, sagt gegenüber Nau.ch zunächst, der Artikel auf «Russia Today» sei in der russischen Berichterstattung über Los Angeles eher eine Ausnahme.
Dazu kommt, dass das Stichwort «woke» sich lediglich im Titel finde und die Argumentation des Autors «wenig überzeugend» sei. Entsprechend sagt Schmid: «Ich gehe nicht davon aus, dass solche Artikel einen grossen Impact haben.»
Russische Medien berichten grösstenteils ähnlich wie westliche
Nicolas Hayoz glaubt auch nicht, dass der «RT»-Artikel repräsentativ für die russischen Medien steht. «Insgesamt gesehen dominieren in den russischen Medien nicht die vereinfachten Erklärungen. Sondern es wird schon der Versuch gemacht zu erklären, wieso solche Katastrophen geschehen», so der Experte.
Weiter sagt Hayoz: «In den Medien werden eher Expertenmeinungen eingeholt, die versuchen, zu erklären, wieso es zu den Bränden gekommen ist.» Letztlich werden in Russland zu einem grossen Teil ähnliche Faktoren genannt wie im Westen. Sei es die Vernachlässigung von Infrastrukturen oder die zu geringen staatlichen Investitionen.
Die sogenannte «Woke-Erklärung» sei schon eher bei den Reaktionären zu finden, führt Hayoz aus. Diese meinten immer schon, «dass Woke schlecht ist und zum dekadenten Westen gehört».
Laut Schmid bedienen sich die Medien in Russland im Zusammenhang mit den Bränden letztlich eines «altbekannten Schemas»: «Alles, was die westliche Ordnung bedroht, ist gut für Russland.»
Der offizielle Erste Kanal habe derweil nur mit «kleinen Propagandaattacken» mit Bezug zum Ukraine-Krieg über die Brände berichtet. «So hiess es, die Schäden überstiegen die Summe der US-Waffenlieferungen an die Ukraine.»
Putin-naher Philosoph: «Lasst die Liberalen verbrennen»
Die grosse Schadenfreude ist ebenfalls überwiegend in reaktionären Kreisen zu finden – vor allem in den sozialen Medien. Auf einem X-Account, der dem politischen Philosophen Alexander Dugin zugeordnet wird, heisst es beispielsweise: «Lasst die Liberalen in diesem letzten erbärmlichen Moment ihrer Herrschaft verbrennen.»
Dugin wird aufgrund seiner nationalistischen Ansichten auch als «Putin-Chefideologe» bezeichnet.
Anders klingt es wenig später: In einem weiteren Post schreibt Dugin dann immerhin, dass die Russen sich nicht über die Brände freuen würden. Mit den betroffenen Personen leide man mit. «Wir haben Mitgefühl und Mitleid mit den Amerikanern. Es tut uns wirklich weh», heisst es.
Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass hinter dem zitierten X-Account nicht zu 100-prozentiger Sicherheit der Philosoph selbst steckt. Experte Schmid sagt gegenüber Nau.ch: «Es könnte sein, dass ein Dugin-Fan hier im Namen des Meisters tweetet.»
Hayoz hingegen sagt, dass die Äusserungen wohl echt seien. Zumal sich der Philosoph auch auf anderen Kanälen ähnlich äussert. Dies beispielsweise auf Dugins Telegramkanal oder auf dem Kanal «Tsargrad.tv», der zu Dugins Tsargrad-Institut gehört.
Kreml-Sprecherin wirft USA Doppelmoral vor
Offiziell fällt der Kreml nicht mit zahlreichen kontroversen Äusserungen zu den Los-Angeles-Bränden auf. Erwähnenswert ist jedoch der Vorwurf von Maria Sacharowa, Sprecherin des Aussenministeriums, an die USA.
Die Amerikaner legen laut Sacharowa aktuell eine «Doppelmoral» an den Tag. Das macht sie daran fest, dass man zur Brandbekämpfung sogar Häftlinge einsetze. Im Falle Chinas werde solche Zwangsarbeit vom Westen dagegen kritisiert, so der gewagte Vergleich der Kreml-Sprecherin.
In den USA betont man, die Häftlinge seien freiwillig im Einsatz. Der Begriff Zwangsarbeit scheint also nicht wirklich treffend zu sein.
Letztlich habe Sacharowa mit dem Doppelmoral-Vorwurf aber schon einen Punkt, so Hayoz: «Die USA wollen im Ausland als Lehrer und Moralist auftreten, aber können im Inland ihre eigenen Probleme nicht lösen.»
Allerdings muss man laut Hayoz auch sehen: Russland könne bei einem Grossteil seiner Bewohner ebenfalls nicht für Wohlstand und Modernisierung sorgen.
Für einmal sehe man jetzt, «wie das erfolgreiche Amerika mit selbsterzeugten Problemen konfrontiert ist». Genau darin könnte laut dem Experten die russische Schadenfreude liegen.