Suizidraten in den USA steigen stark
Von aussen privilegiert, doch innen verzweifelt. Kate Spade und Anthony Bourdain sind zwei von vielen. In den USA ist Suizid ein seit Jahren wachsendes Problem.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Suizidraten in den USA steigen erschreckend stark an.
- 2016 nahmen sich 45'000 Menschen das Leben – 25 Prozent mehr als vor knapp 20 Jahren.
- Laut Experten kann das Brechen des Tabus – über Suizid zu reden – Gefährdeten helfen.
Erst Kate Spade, dann Anthony Bourdain: Der Tod der vielgeliebten Designerin und des scheinbar so unverwüstlichen Kochs und TV-Stars haben die USA schockiert. Just in derselben Woche legt die US-Gesundheitsbehörde CDC neue Zahlen vor: Fast 45'000 Amerikaner haben sich 2016 das Leben genommen – das sind 25 Prozent mehr als 1999 und mehr als doppelt so viele wie 2016 ermordet wurden.
Die «New York Times» schreibt von einem «dunklen Spiegel» der amerikanischen Gesellschaft. «Verstörend» nennt es Anne Schuchat, stellvertretende CDC-Geschäftsführerin,. «Die weitgestreute Natur dieses Anstiegs, in allen Staaten ausser einem, legt wirklich nahe, dass das ein nationales Problem ist, das so gut wie alle Orte betrifft.» Es sind alle Altersgruppen, Geschlechter und Ethnien betroffen – wenn auch unterschiedlich stark.
Woher der Anstieg?
Gesundheitsexperten sehen ebenso wie Ökonomen und Soziologen einen Grund in der Finanzkrise, die das Land 2008 mit voller Wucht traf. «Forschungen haben über viele Jahre und soziale wie gesundheitspolitische Felder hinweg gezeigt, dass es einen starken Bezug zwischen ökonomischem Niedergang und dem Anstieg von Selbsttötungen gibt», erläutert die Soziologin Sarah Burgard (University of Michigan) in der «Washington Post».
Auch die Opioidkrise spielt hinein: Hier sind Suizide und unbeabsichtigte Überdosierungen nicht leicht auseinanderzurechnen. Die CDC geht aber davon aus, dass sich Selbsttötungen durch die superstarken und abhängig machenden Schmerzmittel von 1999 bis 2014 fast verdoppelt haben.
Ein Lichtblick
Die schockenden Suizide von scheinbar so glücklichen Promis haben viele Amerikaner auch endlich zum Reden gebracht über ein Thema, das immer noch tabu ist. Diese Offenehit könnte auch Gefährdeten helfen, sagt John Draper vom Präventionsnetzwerk «National Suicide Prevention Lifeline». «Wenn Menschen offener darüber reden, wie sie Selbstmordgedanken überwunden haben (...), gibt es deutlich Hinweise, dass das einen positiven Effekt hat auf Leute, die sich gerade in einer suizidalen Krise befinden.»
Take the time today to check in with friends and loved ones. Ask them how they're really feeling. And if you're worried that someone you know might be thinking about suicide, here's how & why the 5 steps of #BeThe1To can help. https://t.co/0rhdgVsF9t
— 988 Suicide & Crisis Lifeline (@988Lifeline) June 8, 2018
Zumindest einige der Betroffenen haben sich jetzt hervorgewagt und ihre Geschichten geteilt: «Es ist sechs Jahre her, dass ich barfuss auf dem Geländer einer Brücke stand, im Regen», beginnt Josh Raby einen langen Twitter-Thread, der von über 90'000 Menschen verfolgt wurde. Ausgerechnet ein Nachbar in einem «Toy Story»-Kostüm habe ihn gerettet – einfach, indem er da war.
Die Filmkritikerin Sheila O'Malley twittert, wie Freunde ihr in der tiefsten Krise Hilfe förmlich aufdrängten. «Dieser Plan hätte sehr gut nach hinten losgehen können.» Aber Freunde sollten dieses Risiko eingehen und sich einmischen.