US-Wahl könnte zum Nervenkrimi für die Märkte werden
Die US-Wahlen werden auch an den Finanzmärkten heiss diskutiert. Denn ob Kamala Harris oder Donald Trump ins Weisse Haus einziehen, könnte Folgen haben.
Für die Finanzmärkte werden die kommenden Wochen alles andere als langweilig werden. Denn der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf in den USA hat bereits einiges an Überraschungen bereitgehalten und bietet fast alles, was ein spannender Hollywoodfilm auch nicht besser machen könnte.
Denn auch wenn Beobachter Kamala Harris als Siegerin des wahrscheinlich einzigen TV-Duells beider Kandidaten sehen, ist das Rennen weiter völlig offen. Und entsprechend schwer ist es für die Märkte, einen konkreten Ausgang einzupreisen. Das führt zu Unsicherheit, die wiederum die Volatilität erhöht.
Ein grosser Risikofaktor ist der mutmasslich knappe Wahlausgang. Denn sollte die Wahl keinen absolut eindeutigen Sieger hervorbringen und Trump bei einer möglichen knappen Niederlage das Ergebnis nicht akzeptieren, droht den USA eine längere Hängepartie.
Und auch insgesamt stellt Trump für die Märkte einen grösseren Unsicherheits- und damit Risikofaktor dar. Er sei der deutlich unberechenbarere Kandidat, meint etwas die ZKB in einer Analyse. Sollte Trump dann zudem noch beide Kammern im Kongress kontrollieren, bestünde die Gefahr, dass er den Spielraum bekomme, um mit seiner Politik «zu weit zu gehen», so ZKB Investment-Stratege Felix Jäger weiter.
«Das könnte zu einer weiteren Verschlechterung des Haushalts, zu starker wirtschaftlicher Abschottung und aussenpolitischen Alleingängen führen. Mittelfristig wäre Trump also die riskantere Wahl für den Aktienmarkt», meint er.
Hingegen müsste laut Raiffeisen Schweiz davon ausgegangen werden, dass unabhängig davon, wer ins Weisse Haus einzieht, die Staatsverschuldung der USA weiter ansteigt. Das sollte entsprechend Druck auf den US-Dollar ausüben.
Gleichzeitig ruft gemäss der ZKB eine solch expansive Fiskalpolitik allerdings die US-Notenbank Fed auf den Plan. Diese müsste dann der inflationär wirkenden Politik mit einer restriktiven Geldpolitik Gegensteuer geben. Und das ist eigentlich genau das, was Trump nicht will.
Technologiesektor könnte leiden
Dennoch dürfte Trump die Notenbank nicht aktiv angreifen, sind sich die Experten einig. Karsten Junius von J. Safra Sarasin erwartet ähnlich wie seine Kollegen eher, dass Trump das Fed permanent kritisieren und für schlechte wirtschaftliche Entwicklungen verantwortlich machen würde.
Zudem könne er Fed-Chef Jerome Powell erst im Mai 2026 nach Ablauf seiner Amtszeit absetzen, ergänzt ZKB-Experte Jäger. Und auch wenn Trump wohl gerne einen Kandidaten einsetzen wolle, der eine lockerere Geldpolitik verspräche, hätte er dafür wenig Spielraum. «Die Finanzmärkte achten auf Preisstabilität und würden sehr skeptisch reagieren», so Junius.
Mit Blick auf die Auswirkungen beider Kandidaten auf verschiedene Branchen ist die Grundrichtung klar. Trump wird gerade im Handelskrieg mit China eine härtere Gangart anschlagen als Harris und heimische Unternehmen deutlicher bevorzugen.
Die Rüstungsindustrie könnte ebenfalls einen Schub erhalten. Auch Finanztitel könnten von einer etwas «nachsichtigeren» Einordnung der Regulierungen profitieren, wenn Trump entsprechend eingestellte Personen in die passenden Ämter beruft.
Aber auch von Harris dürfte kaum mehr Gegenwind für den Finanzsektor zu erwarten sein. Sie wird zwar die Banken kaum von der Leine lassen, noch engere Daumenschrauben müssen sie aber auch nicht befürchten.
Unter einer Verschärfung des Handelsstreits mit China könnte insbesondere der Technologiesektor und damit das grösste Zugpferd der Börse seit Jahresbeginn leiden. Da viele US-Unternehmen zwar in den USA ihre Produkte entwickeln, sie aber in Asien produzieren, könnten Zölle die Wertschöpfungskette empfindlich treffen, heisst es beispielsweise von der ZKB.
Energiewende auch in amerikanischer Bevölkerung gut verankert
Das sieht auch die UBS so. Bereits jetzt bewege die Rhetorik um Exportbeschränkungen der Halbleiterindustrie die Märkte stark – und zwar kandidatenunabhängig, so die Experten. Durch die enge Verzahnung der Lieferketten führe jede Störung zu Unsicherheit.
Mit Blick auf den Energiesektor sei im Falle einer «roten Welle», also einem Sieg von Trump bei der Präsidentschaftswahl als auch einem republikanisch dominierten Kongress, mit einer gewissen Erleichterung für Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie zu rechnen. Viele Experten sehen derweil bei einem Sieg von Harris die erneuerbaren Energien etwas im Vorteil.
Allerdings sei mittlerweile die Energiewende auch in der amerikanischen Bevölkerung gut verankert, sodass die Branche auch unter Trump weiter voranschreiten könne. Schweizer Zulieferer wie Gurit oder Schweiter könnten da profitieren.
Positiv könnte es unter Harris auch für den Bausektor laufen, denn sie plant beispielsweise Erstkäufer von Immobilien mit 25'000 US-Dollar zu unterstützen. Davon hätten dann auch Holcim oder Sika etwas.
Weniger gut sieht es hingegen für die Pharma-Konzerne unter einer Führung durch die Demokraten aus. Denn hier sind durchaus Preiskontrollen für Medikamente denkbar.
Manche Börsianer relativieren die Bedeutung des Ereignisses aber auch. Was Politiker vor der Wahl sagten und was sie nach der Wahl umsetzten, sei zweierlei. Von dem her könne sich der Spruch «politische Börsen haben kurze Beine» auch in diesem Fall einmal mehr bewahrheiten.