Wie ein einzelner US-Senator Bidens Klimaschutz-Pläne sabotiert
Das Wichtigste in Kürze
- Der Querulant
Der 74 Jahre alte Demokrat ist so konservativ, dass er oft wie ein Republikaner wirkt, der versehentlich in der falschen Partei gelandet ist. Im Senat sind die Machtverhältnisse derart knapp, dass Bidens 50 Demokraten in der Kongresskammer geschlossen abstimmen müssen, um ein Vorhaben durchsetzen zu können. Zu potenziellen Abweichlern gehört immer wieder auch die Senatorin Kyrsten Sinema aus Arizona. Der berüchtigtste Querulant ist aber zweifellos Manchin.
Seine Rolle als Zünglein an der Waage macht den Senator aus West Virginia derzeit zu einem der mächtigsten Politiker in Washington. International ist Manchin dennoch weitgehend unbekannt. Dass der Name seines relativ kleinen und wenig entwickelten Bundesstaats im Ausland mehr Wiedererkennungswert hat als sein eigener, dürfte dem Song «Take Me Home, Country Roads» geschuldet sein. West Virginia ist der zweitgrösste Kohleproduzent der USA, dort leben aber nur knapp 1,8 Millionen der rund 330 Millionen Amerikaner. Weniger als 20 000 Menschen in dem Bundesstaat arbeiten im Bergbau.
«Joe Manchin hat gerade den Planeten gekocht»
Manchins Blockadehaltung könnte Folgen für die Weltbevölkerung haben. «Er plant, Bidens Klimaplan und damit die Chancen für einen raschen globalen Fortschritt zunichte zu machen», schrieb der Umweltaktivist Bill McKibben kürzlich auf Twitter. «Das steht weit oben auf der Liste der folgenreichsten Massnahmen, die jemals von einem einzelnen Senator ergriffen wurden; die Auswirkungen dieses eitlen Mannes wird man in den erdgeschichtlichen Aufzeichnungen sehen können.» Poppiger, aber nicht weniger dramatisch formuliert es die Zeitschrift «Rolling Stone»: «Joe Manchin hat gerade den Planeten gekocht», hiess es dort - und das sei nicht im übertragenen Sinne gemeint.
«Die bedeutendsten Klimaschutzvorhaben» der USA jemals
Biden kämpft derzeit darum, seine wichtigsten Vorhaben seit seinem Amtsantritt durch den Kongress zu bekommen. Die beiden Gesetzespakete sehen den Ausbau von Infrastruktur und Sozialleistungen vor, aber längst nicht nur: «Zusammen enthalten sie die bedeutendsten Klimaschutzmassnahmen, die die Vereinigten Staaten je ergriffen haben», schrieb die «New York Times». Besonders eine Massnahme - die wichtigste in Sachen Klimaschutz - will Manchin verhindern: Ein Programm für «saubere Elektrizität» mit einem Volumen von 150 Milliarden Dollar (129 Milliarden Euro), das Versorger für einen Ausbau solcher Stromquellen belohnen und andernfalls bestrafen würde.
Der Senator argumentiert, private Versorgungsunternehmen müssten nicht mit Steuergeldern zum Ausbau erneuerbarer Energien gebracht werden, weil sie diesen Weg ohnehin gingen. Was Manchin nicht sagt: Bidens Programm würde diesen Prozess erheblich beschleunigen. Es zielt darauf ab, dass die USA ihren Anteil von Energie aus Quellen, die kein klimaschädliches CO2 produzieren, bis 2030 auf 80 Prozent verdoppeln.
Der «Kohlebaron» Manchin
Es ist kein Geheimnis, dass es bei Manchin einen Interessenkonflikt gibt - das zeigt schon ein Blick in die Offenlegung seiner Nebeneinkünfte. Der grösste Posten im vergangenen Jahr sind knapp eine halbe Million Dollar, die er an Dividenden vom Kohleunternehmen Enersystems bekam. Die Firma hatte Manchin einst gegründet und dann an seinen Sohn übergeben, nach seinen eigenen Angaben hält er weiterhin Anteile im Wert zwischen einer und fünf Millionen Dollar. Der britische «Guardian» nennt Manchin - der der Vorsitzende des Energieausschusses im Senat ist - einen «Kohlebaron».
Kommt Biden mit leeren Händen nach Glasgow?
Die USA sind im Kampf gegen den Klimawandel extrem wichtig: Sie sind die weltgrösste Volkswirtschaft und - hinter China - der zweitgrösste Verursacher von CO2-Emissionen. Schon an seinem ersten Tag als Präsident leitete Biden die Rückkehr der USA zum Klimaabkommen von Paris ein, aus dem sein Vorgänger Donald Trump ausgestiegen war. Seit seinem Einzug ins Weisse Haus ruft Biden andere Regierungen dazu auf, ihre Anstrengungen für den Klimaschutz zu verstärken und dem Vorbild der USA zu folgen. Wenn Biden aber nicht einmal seine eigenen Vorhaben durch den Kongress bringen kann, dürfte das seine Position bei der Weltklimakonferenz in Glasgow erheblich schwächen.
Letzte Chance der Demokraten?
Sollte Biden mit leeren Händen anreisen, wäre das «schlecht für die US-Führungsrolle, schlecht für die Gespräche und katastrophal für das Klima. Einfach katastrophal», warnte der demokratische Senator Sheldon Whitehouse im «Guardian». Whitehouse sagte auch: «Die grosse Mehrheit der Demokraten im Senat ist sich darüber im Klaren, dass dies unsere letzte Chance zum Handeln ist.»
In gut einem Jahr stehen Kongresswahlen in den USA an, dann könnte es mit den knappen Mehrheiten der Demokraten im Senat und im Repräsentantenhaus vorbei sein. Ehrgeizige Gesetzesvorhaben zum Klimaschutz gegen einen von Republikanern kontrollierten Kongress dürfte Biden dann nicht durchsetzen können - erst recht nicht, wenn er damit jetzt schon an seiner eigenen Partei scheitern sollte.