50 Jahre nach Jom-Kippur-Krieg fürchtet Israel die Gefahr von innen
Am 6. Oktober 1973 griffen arabische Nachbarn den jungen Staat Israel an. Auch nach 50 Jahren ist der Jom-Kippur-Krieg in der Bevölkerung allgegenwärtig.
Das Wichtigste in Kürze
- Israel erinnert sich in diesen Tagen an den Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren.
- Kam der Angriff damals von aussen, lauert die Gefahr heute nun im Inneren des Landes.
- Die arabischen Nachbarn nehmen die innenpolitische Schwäche sehr wohl wahr.
Das Trauma vom Jom-Kippur-Krieg sitzt in Israel tief. Überraschend hatten arabische Nachbarn am 6. Oktober 1973 den jüdischen Staat attackiert. Jahrzehnte später sieht sich das Land erneut mit schweren Bedrohungen konfrontiert – dieses Mal jedoch auch von innen.
Wenn ein israelischer Präsident die Lage des Landes mit dem Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren vergleicht, lässt das aufhorchen. «Der Preis könnte wieder unerträglich sein, wir stehen wieder vor einer Prüfung. Als hätten wir nichts gelernt», sagte Izchak Herzog bei einer Gedenkveranstaltung anlässlich des Jahrestags. Der einzige Unterschied sei, dass die Bedrohung nun nicht von aussen, sondern von innen komme.
Auch nach 50 Jahren: Jom-Kippur-Krieg tief im kollektiven Gedächtnis verankert
Der Krieg, der an Jom Kippur am 6. Oktober 1973 begann, hat tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis von Israel hinterlassen. Am höchsten jüdischen Feiertag überfiel eine Allianz arabischer Staaten unter der Führung von Ägypten und Syrien überraschend ein unvorbereitetes Land.
Mehr als 2600 israelische Soldaten wurden getötet, über 7000 verletzt. Der Schrecken von damals und die Frage, ob der 19-tägige Krieg hätte verhindert werden können, beschäftigen die Menschen noch immer.
Krise des Vertrauens in Politik und Militär
Aus dem zuvor gewonnenen Sechs-Tage-Krieg waren die israelischen Truppen selbstbewusst und übermütig herausgegangen. Doch der Jom-Kippur-Krieg zeigte die Verletzlichkeit des damals noch jungen Landes auf, sagt Ejal Zisser von der Tel Aviver Universität. Auch Israels schlussendlicher Sieg habe daran nichts geändert.
Es folgte eine Krise des Vertrauens in die politische und militärische Führung. Die damalige Ministerpräsidentin Golda Meir und Verteidigungsminister Mosche Dajan traten zurück. Eine Untersuchungskommission stellte massive Versäumnisse des Sicherheitsapparates fest. Warnungen seien nicht rechtzeitig weitergegeben und zu wenig ernst genommen worden, hiess es später.
Spaltung in der heutigen israelischen Gesellschaft
Heute warnt Israels Präsident vor einer existenziellen Krise mit möglicherweise dramatischen Folgen für Israels Sicherheit. Der Auslöser ist ein von Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Regierung vorangetriebener Justizumbau, der die Bevölkerung spaltet. Bereits vorhandene Gräben zwischen der säkularen Mehrheit und der strengreligiösen Minderheit reissen immer tiefer auf. Insbesondere der liberale Teil Israels fürchtet sich vor einer fundamentalen Veränderung des Landes.
Auch diesjährige Veranstaltungen zu Jom Kippur wurden von der Krise überschattet. In mehreren Städten kam es an dem Feiertag Ende September zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Zudem formiert sich innerhalb des Militärs Widerstand gegen die Regierungspolitik. Tausende Reservisten, die ein Grossteil des Militärs ausmachen, wollen nicht mehr freiwillig dienen. Immer wieder fallen im öffentlichen Diskurs Warnungen vor einer geschwächten Armee wie vor Jom Kippur 1973.
Erzfeind Iran nennt Israel «verwundbarer denn je»
Die innenpolitischen Konflikte bleiben nicht unbemerkt. Israels Erzfeind Iran teste seit Monaten, wie weit er gehen könne, sagt Chuck Freilich vom israelischen Institut für Sicherheitsstudien. Für Irans Präsident Ebrahim Raisi ist Israel «verwundbarer denn je».
Trotz der Gefahr sind sich Experten jedoch einig, dass ein Szenario wie an Jom Kippur 1973 unwahrscheinlich ist. Israels Militär habe seine Lehren gezogen, gehöre mittlerweile zu einer der stärksten Armeen weltweit.