Chile will Colonia-Dignidad-Gedenkstätte rasch voranbringen
Chiles Präsident Gabriel Boric will den Bau einer Gedenkstätte für die Opfer der Colonia Dignidad beschleunigen.

Chiles Präsident Gabriel Boric will bei den jahrelang erfolglosen Bemühungen um den Bau einer Gedenkstätte für die Opfer der Colonia Dignidad Tempo machen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wies er auf den soeben erfolgten Beschluss zur Enteignung einer grossen Fläche auf dem Areal der ehemaligen Kolonie hin.
«Diese Regierung will die Enteignung so schnell wie möglich umsetzen und gemeinsam mit den Opfern die Gedenkstätte aufbauen», sagte Boric in Santiago de Chile. Steinmeier betonte, Deutschland und Chile seien es den Opfern schuldig, dass diese Gedenkstätte entstehe. «Wir wissen um die Schmerzen der Opfer und wir wissen um den Wunsch der Opfer nach einem Ort der Erinnerung.»
Boric: «Wir werden grösste Anstrengungen unternehmen»
Steinmeier hatte am Vortag selbst mit Opfern gesprochen. Diese schilderten ihm ihre erschütternden Schicksale. «Jeder im Raum hat gemerkt, wie stark das Thema die Menschen immer noch bewegt», sagte er bei der Pressekonferenz.
Steinmeier dankte Boric dafür, dass er das Thema energisch vorantreibe. Dieser antwortete auf die Frage, ob die Gedenkstätte noch in den restlichen zwei Jahren Amtszeit von Steinmeier entstehen werde, sodass dieser sie einweihen könne: «Wir werden grösste Anstrengungen unternehmen, um das fertig zu bekommen.»
Missbrauch und Folter in Colonia Dignidad
Die Colonia Dignidad war ein Ort unvorstellbaren Leids. Der deutsche Laienprediger Paul Schäfer war 1961 mit seinen Anhängern von Deutschland nach Chile gezogen. Rund 400 Kilometer südlich von Santiago de Chile gründete er für die Sekte eine Siedlung.
Jahrzehntelang liess Schäfer die Sektenmitglieder dort ohne Lohn bis zur Erschöpfung schuften, riss Familien auseinander und missbrauchte deutsche und chilenische Kinder. Während der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet von 1973 bis 1990 wurden auf dem Areal der Siedlung Regimegegner gefoltert und ermordet.
2005 wurde die Colonia Dignidad von der chilenischen Regierung unter Zwangsverwaltung gestellt. Heute wird auf dem in Villa Baviera umbenannten Areal unter anderem ein Ausflugslokal betrieben.
Schon Kanzler Scholz hatte Unterstützung zugesagt
Seit Jahren wird um den Bau einer Gedenkstätte für die Opfer der Colonia Dignidad in Chile gerungen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei einem Besuch im Januar 2023 die Unterstützung der Bundesregierung zu. «Wir werden uns entsprechend beteiligen», versicherte er.
Chiles Präsident Gabriel Boric bedankte sich seinerzeit für die «Bereitschaft der deutschen Regierung, zur Suche nach der Wahrheit». Dieser ist man bisher jedoch nicht näher gekommen. Die Gedenkstätte gibt es noch immer nicht.
Steinmeier würdigt Chile als verlässlichen Partner
Kurz vor Steinmeiers Ankunft zeichnete sich allerdings Bewegung ab. Das chilenische Justizministerium teilte mit, dass für die Gedenkstätte auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad gut 116 Hektar Land enteignet werden sollen.
Steinmeier würdigte Chile als wichtigen strategischen Partner Deutschlands. «In einer Zeit, in der die multilaterale Weltordnung, die Vereinten Nationen selbst infrage gestellt werden, wollen wir nicht nur, sondern müssen wir noch enger als Freunde und Partner zusammenarbeiten.»