China schraubt Wachstumsziel herunter - Aussenhandel boomt
Chinas Wirtschaft verliert an Schwung. Der starke Export kann das Wachstum der zweitgrössten Volkswirtschaft auf Dauer nicht allein ankurbeln. Was haben deutsche Exporteure noch von dem grossen Markt?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Pandemie, hohe Rohstoffkosten, Energieknappheit und Immobilienkrise bremsen die Wirtschaft in China.
Trotz des boomenden Aussenhandels schrauben Planer das Wachstumsziel für die zweitgrösste Volkswirtschaft im nächsten Jahr auf «mehr als fünf Prozent» deutlich herunter.
Hingegen wird für dieses Jahr noch ein Zuwachs von acht Prozent erwartet. Chinas Regierungschef Li Keqiang steuert gegen den Abschwung und versichert: «China ist in der Lage, mit kurzfristigen wirtschaftlichen Fluktuationen umzugehen.»
Ein Lichtblick ist der Aussenhandel: Zwar haben Chinas Exporte etwas an Dampf verloren, doch übertreffen die Importe die Erwartungen. Wie der Zoll am Dienstag in Peking berichtete, stieg der Aussenhandel in US-Dollar berechnet im November kräftig um 26,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Ausfuhren wuchsen nur noch um 22 Prozent (Oktober: 27,1 Prozent). Überraschend stark legten hingegen die Einfuhren um 31,7 Prozent zu - nach 20,6 Prozent im Vormonat.
Mehr Exporte nach Deutschland
Die deutschen Exporteure konnten allerdings nur wenig davon profitieren. Chinas Importe aus Deutschland stiegen nur um 3,3 Prozent. Hingegen legten die chinesischen Exporte nach Deutschland kräftig um 28,9 Prozent zu. Ähnlich ist es mit der Europäischen Union: Während Chinas Ausfuhren in die EU um 33,5 Prozent kletterten, blieben die Importe aus der EU mit plus 4,2 Prozent schwach.
So berichten etwa die deutschen Maschinenbauer von einem verschlechterten Geschäftsklima in China im zweiten Halbjahr. Für das Gesamtjahr falle die Bilanz aber immer noch sehr positiv aus, teilte der Branchenverband VDMA auf Basis der Herbstumfrage unter den in China ansässigen 850 Mitgliedsunternehmen mit. Demnach bewerten 44 Prozent der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage als gut, 45 Prozent als zufriedenstellend und 11 Prozent als schlecht. In der Umfrage im Frühjahr 2021 hätten noch 61 Prozent von guten Geschäften und lediglich 4 Prozent von schlechten Zahlen berichtet. Die Kapazitätsauslastung in China habe im Frühjahr 2021 ihren bisherigen Höchststand erreicht, sei seitdem aber rückläufig. Auch der Auftragseingang sei in China in der zweiten Jahreshälfte gesunken.
Die Aussichten der deutschen Maschinenbauer in China für das kommende Jahr sind laut VDMA verhalten optimistisch. «Die Unternehmen erwarten, dass es im Zuge der Olympischen Winterspiele im Februar zu Einschränkungen kommen wird. Dagegen ist Stromknappheit, die den Grossteil der Unternehmen im Herbst noch vor grosse Herausforderungen gestellt hatte, aktuell kein Thema mehr», hiess es beim VDMA.
Anstieg der Kohleimporte
Der kräftige Importzuwachs Chinas lässt sich auch durch den starken Anstieg der Kohleimporte und höhere Preise erklären. So wurde wegen der Energieknappheit in China die Menge der Kohleimporte um 200 Prozent gesteigert. Wegen der weit höheren Kosten stieg der Wert sogar um 769 Prozent auf 5,87 Milliarden US-Dollar.
Die Kohleimporte im November seien die höchsten in diesem Jahr gewesen, sagte Jens Hildebrandt, Vorstandsmitglied der deutschen Handelskammer in China (AHK). «Seit Monaten arbeitet China daran, seine Energiekrise zu überwinden.» Gleichzeitig sei der November der Beginn der Heizsaison. «Die Stromversorgung der deutschen Unternehmen vor Ort hatte sich Anfang November wieder eingependelt, was auf eine stabilere Energiesituation hinweist», sagte Hildebrandt.
Das leicht gedämpfte Exportwachstum lasse aber insgesamt auf eine «momentan weniger robuste Konjunkturentwicklung» schliessen, sagte Hildebrandt. «Wir gehen davon aus, dass wir weiterhin eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums im vierten Quartal durch die Faktoren Energie- sowie Lieferkettenengpässe und durch die Abschwächung des Immobilienmarktes sehen werden.»
Last der Evergrande-Krise
Der Beitrag der Exporte zum Wachstum wird sich abschwächen. Auch werden Pandemie und hohe Rohstoffpreise das Wachstum bremsen. Hinzu kommen Unsicherheiten wie die Krise um den mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar hoch verschuldeten Immobilienkonzern Evergrande.
Deswegen schlugen Forscher der Akademie der Sozialwissenschaften (CASS) während der laufenden jährlichen Beratungen des Politbüros über die Wirtschaftspolitik für 2022 das niedrigere Wachstumsziel von «mehr als fünf Prozent» vor. Damit gebe es Spielraum: «Es würde allen beteiligten Parteien erlauben, sich darauf zu konzentrieren, Reformen und Innovation zu fördern, um hochqualitatives Wachstum zu erreichen», sagte CASS-Wissenschaftler Li Xuesong.
Ursprünglich hatte die Regierung als Wachstumsziel «mehr als sechs Prozent» für 2021 vorgegeben. Das jetzt erwartete starke Plus von acht Prozent erklärt sich vor allem mit der niedrigen Vergleichsbasis durch die Pandemie im Vorjahr. Mit einer Null-Covid-Strategie, Massentests, Quarantäne und Einreisebeschränkungen hat das bevölkerungsreichste Land das Virus gut im Griff. Täglich werden nur einige Dutzend Infektionen gemeldet - auf 1,4 Milliarden Chinesen.
Mit der Normalisierung der Vergleichswerte sagen die CASS-Forscher für 2022 aber einen «Rückfall» auf 5,3 Prozent voraus. Im dritten Quartal dieses Jahres hatte das Wachstum nur noch 4,9 Prozent erreicht - nach einem Rekordzuwachs von 18,3 Prozent im ersten und 7,9 Prozent im zweiten Quartal. Zwar dürften die Ausfuhren wegen der globalen Nachfrage bis Jahresende noch stark bleiben, sagte Bloomberg-Ökonom David Qu. «Selbst dann könnte die externe Stütze nicht ausreichen, um sich dem Abwärtsdruck durch heimische Ursachen, einschliesslich des abkühlenden Immobiliensektors, entgegenzustemmen.»