Coronavirus: Indiens Gesundheitssystem bricht zusammen
Die Corona-Lage in Indien ist dramatisch: Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch – sogar die Krematorien können nicht mithalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Indien meldet derzeit wiederholt Corona-Rekorde bei den Fällen und auch bei den Toten.
- Die grosse Anzahl Opfer sorgt bei den Krematorien des Landes für grosse Probleme.
259'170 Fälle mit dem Coronavirus meldete Indien alleine am Dienstag. Es war die weltweit höchste Tagesrate. Das Gesundheitssystem des Landes steht wegen des explosionsartigen Anstiegs der Zahlen kurz vor dem Zusammenbruch.
Dehli, eine Stadt mit 29 Millionen Einwohnern, hatte zur Entlastung der Spitäler am Dienstag einen einwöchigen Lockdown verhängt. Das ist auch dringend nötig, denn in ganz Dehli stehen mittlerweile weniger als 100 mit Beatmungsgeräten ausgestatteten Betten zur Verfügung. Für Patienten die eine kritische Versorgung benötigen, gibt es ungefähr noch 150 Betten.
Auch bei den Todeszahlen erlebt Indien derzeit einen rasanten Anstieg. Am Dienstag wurden 1761 Corona-Opfer gemeldet. Für das Land ein neuer Rekord. In ganz Indien laufen die Krematorien auf Hochtouren mit drei- bis viermal mehr Toten als üblich.
In Ahmedabad, einer Stadt im westlichen Bundesstaat Gujarat, brach sogar der Schornstein eines Elektroofens, nachdem er in den letzten zwei Wochen täglich bis zu 20 Stunden lang benutzt wurde.
Im Diamanten-Zentrum Surat schmolzen die Eisenrahmen einer Anlage, weil keine Zeit blieb, die Öfen abkühlen zu lassen. In Luckdown hatten einige Krematorien kein Holz mehr und baten die Hinterbliebenen der Opfer, es selbst mitzubringen.
Indien glaubte, die Pandemie besiegt zu haben
Erst Anfang des Jahres glaubte Indien, die Pandemie besiegt zu haben und startete eine Massenimpfaktion. Gesichtsmasken wurden abgelegt, soziale Distanz nicht mehr eingehalten und riesige Menschenmengen strömten zu religiösen Festen, Wahlkämpfen oder Cricketspielen.
In den Krankenhäusern, in denen es an Sauerstoff, Beatmungsgeräten und Betten mangelte, warnten währenddessen die Ärzte, dass sie überfordert seien – vor allem auch mit einem neuen Phänomen: Jüngeren Patienten.
Mediziner in Neu Dehli beispielsweise, sagten, dass zwei Drittel ihrer neuen Patienten unter 45 Jahre alt sind. Im südlichen IT-Zentrum von Bangalore machten die unter 40-Jährigen Anfang April 58 Prozent der Infektionen aus, gegenüber 46 Prozent im Vorjahr.
Ärzte in Mumbai behandeln zudem plötzlich Kinder im Alter von 12 und 15 Jahren, während in der ersten Welle praktisch keine Kinder hospitalisiert wurden.
Unter 45-Jährige anfälliger für neue Mutation?
Es wird angenommen, dass die unter 45-Jährigen anfälliger für die neue Variante B.1.617 sind. Im stark betroffenen Bundesstaat Maharashtra beispielsweise, ist die Mutation bereits für über 60 Prozent der neuen Erkrankungen verantwortlich.
Von der Mutation B.1.617 wird wegen einer «Doppelmutation» angenommen, dass sie sich leichter ausbreitet und sogar tödlicher sein könnte als andere Stämme. Bisher gibt es dazu aber noch keine verlässlichen Daten.
Am Montag kündigte das indische Gesundheitsministerium an, dass es ab Anfang nächsten Monats Impfstoffe für über 18-Jährige einführen wird. Es ist jedoch unklar, ob das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern annähern über die benötigten Vorräte verfügt. Da das Land auch der weltweit grösste Impfstoffhersteller ist, gibt es grosse Bedenken hinsichtlich der Lieferketten mit dem Rest der Welt.