Ecowas hebt Sanktionen nach Putsch im Niger auf
Ecowas hebt die meisten Sanktionen gegen Niger auf, behält jedoch politische Strafen bei.
Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas steuert bei ihrem bisherigen Konfrontationskurs gegenüber von Putschisten geführten Staaten um. Am Samstag hob das Wirtschaftsbündnis die meisten der harschen Sanktionen auf, die es nach dem Staatsstreich vor sieben Monaten gegen ihr Mitgliedsland Niger verhängt hatte, um eine Rückkehr zur Verfassung zu erzwingen.
Die Wirtschafts-, Handels- und Reisesanktionen gegen das Binnenland würden mit sofortiger Wirkung beendet, verkündete Ecowas-Kommissionspräsident Omar Alieu Touray nach einem Gipfel der Gruppe in Nigerias Hauptstadt Abuja. «Die Staats- und Regierungschefs haben es aus rein humanitären Gründen für wichtig und notwendig erachtet, die Sanktionen aufzuheben», sagte Touray. «Ecowas hält an seiner Nulltoleranz gegenüber verfassungswidrigen Regierungswechseln fest.»
Politische Sanktionen bleiben erhalten
Der vom Niger, Mali und Burkina Faso jüngst verkündete Austritt aus der Ecowas stelle den 1975 gegründeten Block vor grosse Herausforderungen und erfordere schwierige Entscheidungen, betonte der derzeitige Ecowas-Vorsitzende, Nigerias Präsident Bola Tinubu, bei der Eröffnung des Gipfels.
«Demokratie ist nichts anderes als der politische Rahmen und der Weg zur Befriedigung der Grundbedürfnisse und Hoffnungen der Menschen. Deshalb müssen wir unseren derzeitigen Ansatz bei der Suche nach einer verfassungsmässigen Ordnung in vier unserer Mitgliedstaaten überdenken», sagte Tinubu. Touray sagte, die politischen Sanktionen gegen den Niger sowie die anderen nach Putschen vom Militär regierten Mitgliedsstaaten Mali, Burkina Faso und Guinea blieben aber erhalten.
Aufhebung von Wirtschaftssanktionen
Die Staaten bleiben damit grossteils von den Ecowas-Institutionen suspendiert. Die nun aufgehobenen Sanktionen gegen den Niger umfassten die Grenzschliessung zu den Mitgliedsländern, die Sperre des Bankverkehrs, ein Überflugverbot und das Einfrieren von Bankguthaben. Nigeria hatte zudem die Stromversorgung in den Niger gekappt, von der das Binnenland zum grössten Teil abhängig war.
Eine offizielle Reaktion aus dem Niger blieb bis Sonntag aus. Nach Angaben eines dpa-Reporters wurde die Aufhebung der Sanktionen im staatlichen Fernsehen nicht berichtet. Die Strafmassnahmen hatten schwere Auswirkungen auf die rund 27 Millionen Einwohner des Nigers, die trotz grosser Bodenschätze zu den ärmsten Bevölkerungen weltweit gehören.
Die Preise für Medikamente haben sich fast verdoppelt. Auch Reis, Zucker, Pflanzenöl und Teigwaren haben sich drastisch verteuert. Die Stromversorgung läuft grösstenteils nur über Dieselgeneratoren. Aufgrund der hohen Preise für Güter des täglichen Bedarfs lebt die Zivilbevölkerung in extremer Armut.
Politische Unruhen und ihre Folgen
Im Niger hatte Ende Juli 2023 das Militär unter der Führung des Ex-Präsidialgarden-Chefs Abdourahamane Tiani den Präsidenten Mohamed Bazoum entmachtet. Bazoum war als letzter demokratisch gewählter Staatschef im Inneren der Sahelzone ein enger Partner europäischer Staaten und der USA im Kampf gegen Terrorismus und illegale Migration nach Europa.
Der Umsturz löste eine schwere diplomatische Krise in der Region aus. Ecowas hatte sogar eine militärische Intervention zur Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung im Land beschlossen, die allerdings nie zustande kam. Diplomatische Bemühungen scheiterten immer wieder.
Ecowas forderte am Samstag erneut die Freilassung von Bazoum, der mit seiner Frau seit Juli unter Arrest festgehalten wird. Ende Januar verkündeten der Niger, Mali und Burkina Faso ihren Austritt aus der Staatengemeinschaft, der laut Satzung zum Ende Januar 2025 gültig wird.
Auseinandersetzung mit ehemaliger Kolonialmacht
Die drei Staaten beschuldigten Ecowas unter anderem, von äusseren Kräften – gemeint ist Frankreich – gesteuert zu sein. Die Militärjuntas in Mali, Niger und Burkina Faso wenden sich mehr als 60 Jahre nach ihrer Unabhängigkeit im Streit von der Ex-Kolonialmacht Frankreich ab, die weiter stark präsent war und eine grosse Rolle bei der Bekämpfung der islamistischen Terrorgruppen spielte, die alle drei Staaten heimsuchen.
Die drei Staaten haben ein Verteidigungsbündnis namens Allianz der Sahel-Staaten (AES) gegründet und arbeiten immer enger politisch zusammen. Alle drei haben sich auch Russland stärker zugewandt.