Deutschland übernimmt am 1. Juli den Vorsitz der EU-Länder und wollte die Beziehungen zu China zum Schwerpunkt machen. Doch wegen der Pandemie kommt alles anders. China setzt trotzdem auf Europa.
Sucht den Schulterschluss mit Europa: Der chinesische Präsident Xi Jinping. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Sucht den Schulterschluss mit Europa: Der chinesische Präsident Xi Jinping. Foto: Maurizio Gambarini/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Trotz der Verschiebung des EU-China-Gipfels in Leipzig betonen beide Seiten den Willen zur Zusammenarbeit.
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Die Verzögerung des für 14. September geplanten Treffens sei allein der Corona-Pandemie geschuldet und habe keine politischen Gründe, sagte der deutsche EU-Botschafter Michael Clauss. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping unterstrich das Interesse seines Landes an einer strategischen Kooperation.

Bundesaussenminister Heiko Maas begrüsste die Verschiebung. «So etwas kann man nicht in Form einer Videokonferenz machen, das macht keinen Sinn», sagte er in Den Haag. «Die persönliche Begegnung bei einem solchen Gipfel, wo es ja sehr unterschiedliche Kulturen gibt, spielt eine ausserordentlich grosse Rolle.» Der SPD-Politiker brachte auch eine mögliche Verlegung an einen anderen Ort als Leipzig ins Spiel. Man müsse später im Jahr sehen, «ob man diesen Gipfel möglicherweise an anderer Stelle, in anderer Form durchführen kann».

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach einem Telefonat mit Xi den Gipfel verschoben, der eigentlich ein Höhepunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr werden sollte. Der neue Termin ist offen. Die Ratspräsidentschaft wird wegen der Corona-Krise insgesamt ganz anders ablaufen als ursprünglich geplant, wie Botschafter Clauss sagte. Topthema ist nun die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie und der Zusammenhalt der Europäischen Union.

China ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands und der EU. Doch die politischen Beziehungen sind zwiespältig und wegen der Spannungen zwischen China und den USA heikel. Die EU kritisiert unter anderem die chinesische Menschenrechts- und Investitionspolitik, sieht die Volksrepublik aber auch als Partner beim globalen Klimaschutz. Zuletzt sorgte das Sicherheitsgesetz für Hongkong für Protest. Doch das sah die Bundesregierung nicht als Grund für eine Absage des Leipziger Gipfels, wie Aussenminister Heiko Maas vergangene Woche klarstellte.

Staatschef Xi sagte im Telefonat mit Merkel nach Angaben der Staatsagentur Xinhua, China sei bereit, mit Deutschland und der EU zusammenzuarbeiten, «um die strategische Zusammenarbeit zu stärken, den Multilateralismus aufrechtzuerhalten und globale Herausforderungen anzugehen». China wolle mit der EU «in dieser Welt der Unsicherheit gemeinsam zur Berechenbarkeit beitragen». Die Verschiebung des Gipfels wurde bei Xinhua nicht ausdrücklich erwähnt.

Das Besondere an dem Treffen ist das geplante Format: Erstmals sollten alle 27 EU-Staats- und Regierungschefs mit der chinesischen Führung zusammenkommen. Konkret sollte ein Investitionsschutzabkommen geschlossen werden, auf das europäische Unternehmen schon lange warten, das aber nach Angaben der EU-Kommission noch nicht fertig ist. Zudem sollten der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel bekräftigt und die Rolle der EU und Chinas in Afrika erörtert werden.

Deutschland, die EU und China seien sich einig, dass das Treffen angesichts der «pandemischen Gesamtlage» zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht stattfinden könne, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Merkel habe auch mit EU-Ratspräsident Charles Michel gesprochen. Aus EU-Kreisen wurde ergänzt, eine für Juni geplante Videokonferenz von Michel und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit Chinas Führung solle aber stattfinden. Auch hier wird noch ein Termin gesucht, wie die EU-Kommission bestätigte.

Ob der grosse Gipfel noch während der deutschen Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember stattfindet, ist unklar. «Wir hoffen, dass es relativ schnell zustande kommt Aber es gibt noch kein Datum», sagte Botschafter Clauss bei einer Online-Veranstaltung des European Policy Centre in Brüssel. Nach seinen Worten stehen zunächst andere grosse Themen an.

In einer ersten Phase werde es darum gehen, den siebenjährigen EU-Finanzrahmen und den milliardenschweren Wiederaufbauplan auszuhandeln. Es würden sehr schwierige Verhandlungen, doch hoffe man auf einen Kompromiss noch vor Ende Juli, sagte Clauss.

In der zweiten Phase werde der Schwerpunkt auf den Verhandlungen mit Grossbritannien über die Beziehungen nach dem Brexit liegen. Sie müssten bis zum EU-Gipfel im Oktober abgeschlossen sein. «Ist eine Einigung möglich? Ja, auf jeden Fall, aber das bedeutet auch, dass das Vereinigte Königreich einen realistischeren Ansatz braucht», sagte Clauss.

In einer dritten Phase wolle Deutschland weitere zentrale Themen vorantreiben, darunter die EU-Asylreform, Klimaschutz, Digitalisierung und Rechtsstaatlichkeit in der EU.

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