Hat Israel Geisel-Angehörige eingeschüchtert?
Angehörige von verschleppten israelischen Soldaten erheben Vorwürfe gegen die Regierung. Sie seien eingeschüchtert worden, damit sie schweigen.
Das Wichtigste in Kürze
- Angehörige verschleppter Soldaten sagen, sie seien von Israel eingeschüchtert worden.
- Nun sprechen sie aber und fordern die Freilassung.
- Sie finden es unverständlich, dass Netanjahu die Geiseln in Kategorien einteilt.
Vor bald sechs Monaten griffen Terroristen der radikalislamischen Hamas Israel an und töteten rund 1200 Menschen. Weitere 253 wurden in den Gazastreifen verschleppt, 130 sind noch immer dort – wie viele davon leben, ist unklar. Seit Monaten fordern Angehörige der Geiseln, dass Ministerpräsident Netanjahu die Freilassung erreicht. Nun kommen schwere Vorwürfe zu den Forderungen hinzu.
Am Donnerstag traf der Politiker Angehörige von männlichen Soldaten, die verschleppt worden waren. Es war das erste Treffen mit den Familien dieser Geiselgruppe. Vor dem Treffen sprachen die Angehörigen zu den Medien – viele zum ersten Mal seit dem 7. Oktober.
Bis heute habe sie geschwiegen, sagt Anat Angrest, deren Sohn Matan verschleppt wurde, laut der «Times of Israel». Denn die Regierung und die Sicherheitskräfte hätten sie darum gebeten. «Sie haben uns eingeschüchtert.» Doch heute spreche sie, weil die Zahl der Söhne, die zurückkehrten, mit jedem Tag des Schweigens abnehme.
Ihre Söhne hätten das Land verteidigt, als sie verschleppt wurden – «und jetzt werden sie vernachlässigt», so Angrest. «Viele haben mit dem Leben bezahlt und werden nun als verrottende Leichen dort behalten.»
Basierend auf den Aussagen bereits freigelassener Geiseln sagt die besorgte und wütende Mutter, ihr Sohn werde unter «unmenschlichen Bedingungen» gehalten. Er und die anderen entführten Soldaten würden gefoltert. In kleinen Käfigen im Untergrund, in der Kälte, ohne Essen und ohne Tageslicht gehalten.
Geisel-Mutter: «Es bleibt keine Zeit»
Auch Orna Neutra sorgt sich um ihren verschleppten Sohn Omer, einen ehemaligen Panzerfahrer. Es sei Netanjahus Zuständigkeit, die Soldaten nach Hause zu bringen. «Versuchen Sie, sich vorzustellen, dass ihr Sohn sechs Monate lang vom Teufel festgehalten wird.»
Es bleibe keine Zeit mehr, «unsere Söhne» müssten mit allen anderen lebenden Geiseln zurückkehren. «Wir haben keine Zeit für Teil-Deals.»
Damit spricht sie auf die Berichte an, denen zufolge es ein Verhandlungs-Ergebnis geben könnte, bei dem einige Geiseln freikämen. So sollten zuerst Dutzende Frauen, Kinder, Senioren und Kranke freikommen. Junge Männer und vor allem Soldaten hingegen würden erst in einem zweiten Schritt befreit werden.
Ihr Sohn sei freiwillig aus den USA nach Israel gekommen, um in der Armee zu dienen, sagt Neutra. Er habe sein gemütliches Leben dort zurückgelassen, um das Land zu beschützen.
«Wieso willigt die Regierung ein, ihre Helden an die letzte Stelle zu setzen?», fragt Neutra. «Sind sie weniger wichtig als die anderen?»