Israel: Wie lange dauert Waffenruhe im Nahost-Konflikt?
Zwischen Israel und Palästina scheint sich im Moment eine Entspannung anzubahnen. Unklar ist, wie lange die aktuelle Waffenruhe im Nahost-Konflikt anhält.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Waffenruhe bringt vorerst Entspannung im Gaza-Konflikt.
- Wie lange die dauert, ist ungewiss, es könnte bald wieder gekämpft werden.
- Der Flaggenmarsch wird von den Palästinensern als Provokation angesehen.
Zwischen militanten Palästinensern und Israel deutet sich im eskalierten Nahost Konflikt vorerst eine Entspannung an. Am Sonntag kehrte wieder schrittweise Normalität ein, nachdem Ägypten eine Waffenruhe vermittelt hatte. Über fünf Tage lang hatten extremistische Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad und Israels Luftwaffe bekämpft.
Opfer auf beiden Seiten
Am Dienstag hatte Israel eine grossangelegte Militäroffensive gegen den Dschihad gestartet. Die israelische Luftwaffe hatte gezielt in wenigen Tagen mehrere hochrangige Mitglieder getötet und zerstörte Hunderte Stellungen der Organisation. Nach der Hamas gilt der Dschihad als zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen. Sie strebt die Zerstörung Israels an.
Als Reaktion hagelte es Raketen auf israelische Ortschaften. Insbesondere im Grenzgebiet herrschte Ausnahmezustand. Mehr als 1400 Raketen und Mörsergranaten wurden laut Militär Richtung Israel abgeschossen. Rund 1100 davon überquerten demnach die Grenze.
Mehr als zwei Dutzend Menschen wurden bei den jüngsten Kämpfen getötet. Im Gazastreifen kamen 33 Palästinenser ums Leben, darunter mehrere Kinder und Frauen. Auf israelischer Seite wurden eine Frau und ein palästinensischer Arbeiter aus Gaza bei Raketeneinschlägen getötet. Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Verletzte und Sachschäden.
Alltag kehrt zurück
Am Sonntag entspannte sich dann die Lage. Im Gazastreifen öffneten Geschäfte. Die rund 2,5 Millionen Bewohner des schmalen Küstenstreifens feierten die Waffenruhe oder holten Einkäufe der vergangenen Tage nach. Auch der Verkehr setzte wieder regulär ein.
In Israel lockerte der Zivilschutz die Regeln für die Anwohner und Grenzübergänge zum Gazastreifen wurden wieder geöffnet. Damit waren auch bitternotwendige Treibstofflieferungen wieder möglich.
Nachdem die Hamas 2007 gewaltsam die Macht an sich gerissen hatte, hatte Israel eine Blockade des Küstengebiets verschärft.
Nachhaltigkeit der Waffenruhe ungewiss
Die Dauer der Feuerpause sei jedoch unklar, sagt Kobi Michael vom israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS). Wie schnell die Kämpfe wieder aufgenommen werden könnten, zeigten vergangene Kampfrunden. Allein in den letzten 24 Monaten gab es drei mehrtägige bewaffnete Konflikte.
Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern liegt seit 2014 brach. «Es ist an der Zeit, die langfristige Strategie zu überdenken», sagt Michael. Man befinde sich in einer Endlosschleife.
Jerusalem-Tag nächstes Pulverfass?
Der nächste Konflikt könnte schon bald bevorstehen. «Der Kalender ist voll mit Gründen für Palästinenser, die Lage zu eskalieren», sagt Michael. Am kommenden Donnerstag findet in Jerusalem etwa ein umstrittener Flaggenmarsch nationalistischer Israelis statt. In den vergangenen Jahren sorgte dieser für eine weitere Verschärfung der ohnehin angespannten Sicherheitslage.
Palästinenser sehen den Marsch, der auch durch den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems führen soll, als Provokation. Vor rund zwei Jahren entzündete sich währenddessen ein elftägiger bewaffneter Konflikt mit der Hamas.
Innenpolitischer Erfolg Netanjahus
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu scheint zunächst gestärkt aus dem jüngsten Konflikt zu gehen. Seine angeschlagenen Umfragewerte gingen seit Beginn der Militäroffensive wieder etwas nach oben.
Und auch eine Krise innerhalb seiner Koalition scheint erstmal abgewandt. Sein rechtsextremer Koalitionspartner Itamar Ben-Gvir will etwa künftig wieder bei Parlamentsabstimmungen teilnehmen. Er hatte diese wegen Israels «laschem Vorgehen» gegen Gaza vergangene Woche boykottiert.
Weitere Bewährungsproben stehen aber noch bevor. Bis zum 29. Mai hat die Regierung noch Zeit, den Haushalt für das laufende und das kommende Jahr zu verabschieden. Sollte dies nicht gelingen, würde sich das Parlament automatisch auflösen.
Zudem schwelt auch der Konflikt um die umstrittene Justizreform der Regierung. Dieser spaltet seit Monaten weite Teile der israelischen Bevölkerung.
Die wöchentliche Anti-Regierungs-Demonstration in Tel Aviv wurde am Samstag wegen Angst vor Raketen zwar abgesagt. Einige Hunderte versammelten sich dennoch, um gegen die Pläne, die das Justizsystem gezielt beschneiden sollen, zu protestieren. Und auch die Organisatoren machten deutlich: «Wir bleiben wachsam.»