Lautsprecher: Südkorea beschliesst Propaganda-Beschallung Nordkoreas
Seoul reagiert mit psychologischer Kriegsführung auf Hunderte von Müll-Ballons aus Nordkorea. An der Grenze soll nun Propaganda aus Lautsprechern erschallen.
Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen mit Nordkorea greift Südkorea auf Mittel der psychologischen Kriegsführung zurück und nimmt die Propaganda-Beschallung des abgeschotteten Nachbarlandes wieder auf.
Psychologische Kriegsführung mit Radioprogramm
Das Militär habe am Sonntag wieder Lautsprecheranlagen an der Grenze aufgestellt und Durchsagen in Richtung Nordkorea gemacht, teilte der Generalstab mit. Ob die Sendungen fortgesetzt würden, hänge allein von Nordkorea ab.
Mit der Massnahme reagierte Südkorea unmittelbar auf das erneute Versenden von Hunderten Ballons mit Müll durch Nordkorea über die stark militarisierte Grenze.
Details über die Art der Durchsagen wurden nicht genannt. Die nationale Nachrichtenagentur Yonhap berichtete, aus Militärkreisen habe es vorher geheissen, ein Radioprogramm von «Voice of Freedom» solle laufen, das von der Einheit für psychologische Kriegsführung des Verteidigungsministeriums betrieben werde.
Nationaler Sicherheitsrat beschliesst Propaganda-Beschallung
Der Schritt war am Sonntag bei einer Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrats beschlossen worden. Südkorea hatte jahrelang laute Popmusik oder Kritik an der Führung in Pjöngjang über die Grenze gesendet. Die Reichweite der Beschallungssysteme lag bei mehr als 20 Kilometer.
Die Teilnehmer der Sitzung des Sicherheitsrats warfen laut einer Mitteilung Nordkorea vor, mit seinem Verhalten Unruhe und Verwirrung in der südkoreanischen Gesellschaft stiften zu wollen. Südkorea werde deshalb mit angemessenen Massnahmen auf die Ballonaktionen antworten.
«Wir machen deutlich, dass die Verantwortung für jede Eskalation der Spannungen zwischen beiden Staaten vollständig bei Nordkorea liegt», hiess es.
Nicht die erste Beschallungsaktion
Nach einem Gipfeltreffen vor sechs Jahren zwischen dem damaligen südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wurden Lautsprecheranlagen auf beiden Seiten der Grenze entfernt. Die gegenseitige Beschallung galt auch als Überbleibsel der Kalten-Kriegs-Ära.
Südkorea hatte zuletzt ein bilaterales Militärabkommen von 2018 über vertrauensbildende Massnahmen an der Grenze ausgesetzt und damit den Weg freigemacht, unter anderem Militärübungen nahe der militärischen Demarkationslinie sowie die Beschallungen wiederaufzunehmen.
Nordkorea, das Südkorea Feindseligkeit vorwirft, hatte das Abkommen bereits im vergangenen November für beendet erklärt. Ob der Ein-Parteien-Staat auch wieder die Lautsprecher-Propaganda aufnimmt, war zunächst unklar.
Keine gefährlichen Substanzen in Müll-Ballons
Nordkorea hatte erneut zahlreiche Ballons mit Plastikbeuteln voller Müll geschickt. Zwischen Samstag und Sonntagvormittag seien etwa 330 «Müll-Ballons» aus Nordkorea aufgestiegen, teilte der Generalstab in Seoul mit. Von ihnen seien mehr als 80 auf südkoreanischem Territorium niedergegangen.
Die übrigen hätten vermutlich ihr Ziel nicht erreicht. In angehängten Beuteln hätten sich unter anderem Altpapier und Plastik befunden. Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass sie keine gefährlichen Substanzen enthielten, hiess es.
Nordkorea reagiert auf Flugblattaktionen
Die Ballonaktionen Nordkoreas sind eine Reaktion auf Aktivitäten südkoreanischer Gruppen, die immer wieder Flugblätter und anderes Propagandamaterial mit riesigen Gasballons über die Grenze versenden.
In den Flugblättern kritisieren sie die Führung in Pjöngjang. Die Aktionen der Gruppen, die teils von nordkoreanischen Flüchtlingen gegründet wurden, sind in Südkorea umstritten.
Nach Berichten südkoreanischer Medien unternahmen am Donnerstag und Freitag zwei verschiedene Gruppen solche Flugblattaktionen. Pjöngjang reagiert auf Propaganda von aussen in der Regel empfindlich.
Gülle und GPS-Störangriffe
Seit Ende Mai hat Nordkorea bereits mehr als 1000 mit Abfallprodukten und teils mit Gülle gefüllte Ballons nach Südkorea geschickt. Auch warf Südkorea dem Nachbarn vor, mehrfach Störangriffe auf das GPS-Navigationssystem in der Grenzregion ausgeführt zu haben.
Nach einer zwischenzeitlichen Phase der Deeskalation hat der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel in der jüngeren Vergangenheit wieder deutlich an Brisanz gewonnen. Seit Anfang 2022 testet Nordkorea verstärkt atomwaffenfähige Raketen und andere Waffen. Südkorea und die USA haben ihre Militärkooperation ausgebaut.