Nau.ch-Bilder: So nah gehen Touris an tödliche Eisenzahn-Warane ran
Forscher fanden heraus: Komodowarane töten ihre Beute mit «Eisenzähnen». Nun sorgen Nau.ch-Bilder bei Schweizer Reiseveranstaltern für Empörung.
Das Wichtigste in Kürze
- Forscher haben herausgefunden, dass Komodowaran-Zähne eisenbeschichtet sind.
- Der Komodo-Nationalpark ist auch bei Schweizern beliebt, so Reiseveranstalter.
- Wie nah Touristen fürs perfekte Foto heranrücken, zeigen Nau.ch-Bilder.
- Beim Kuoni-Spezialisten ist man empört: «Traurig, dass es ums spektakulärste Bild geht.»
- Ein Experte warnt: Komodowarane sind vor allem für panische Besucher gefährlich.
Komodowarane zerreissen Beutetiere wie Affen, Wildschweine oder Büffel mit Haut und Haaren. Trotzdem bleiben die Zähne der Riesen-Reptilien immer rasiermesserscharf.
Ein Forscherteam vom King's College in London hat nun herausgefunden, wie das möglich ist: Die Zähne der Komodowarane enthalten an den Kanten eine eisenhaltige Schicht.
«Die letzten Dinosaurier», wie Komodowarane oftmals genannt werden, gibt es in freier Wildbahn ausschliesslich in Indonesien zu bestaunen. Der Komodo-Nationalpark ist auch bei Schweizern äusserst beliebt.
Aktuelle Nau.ch-Bilder von der Mini-Insel sorgen nun für Empörung.
Darauf zu sehen: Touristen, die sich den rund drei Meter grossen Tieren auf bis zu einem Meter nähern. Beim Reptilien-Schwanz und -Kopf wird fürs Ferien-Foto posiert.
Solche Szenen sind auch für Schweizer Reiseveranstalter, die Komodo-Trips anbieten, neu. «Wir würden ein solches Verhalten niemals gutheissen», sagt Ruth Landolt, Geschäftsführerin des Kuoni-Spezialisten «asia365». «Allein schon aus Gründen des Tierschutzes.»
«Da kann ich nur den Kopf schütteln»
Landolt findet es «traurig, wenn es beim Reisen nicht mehr ums Erleben und Erfahren, sondern um das spektakulärste Bild geht. Beim Nau.ch-Bild, auf dem sich eine Person mit der Kamera vor den Waran beugt, kann ich nur den Kopf schütteln.»
Damit ihre Touristen sicher sind, würden diese zusätzlich von einem Park-Ranger begleitet. Reiseleiter seien nämlich manchmal bis zu 14 Tage mit Kunden zusammen. Und würden ein fast freundschaftliches Verhältnis entwickeln.
«Wenn die Kunden sie dann um etwas bitten, fällt es schwerer, nein zu sagen.» Dieses Nein-Sagen – also etwa zu riskanten Fotos – trainiere man mit den eigenen Reiseleitern schon in der Ausbildung.
Auch Sandra Studer von Globetrotter waren Szenen wie auf den Nau.ch-Bildern unbekannt. «Wir raten, dass sich unsere Kunden an die öffentlichen Bestimmungen halten und genügend Abstand halten.»
Gefährlich «sind panische Reaktionen»
Was im Komodo-Nationalpark auffällt: Oftmals begeben sich Touristen fürs perfekte Foto in die Nähe des Komodowarans. Bewegt sich dann das Tier, schrecken die Leute auf und rennen ein paar Schritte davon.
Genau diese Angst kann gefährlich sein, warnt Komodowaran-Experte und «Aquatis»-Direktor Michel Ansermet. Das Lausanner Aquarium-Vivarium ist der einzige Ort in der Schweiz, wo Komodowarane live beobachtet werden können.
Grundsätzlich würden sich Komodowarane nicht aggressiv verhalten. Sie seien jedoch «dominierende Tiere, extrem kräftig und können auch schnell sein». Angst würden sie nicht wirklich kennen.
«Was den Komodowaran gefährlich macht, ist die Auswirkung von panischen Reaktionen der Besucher. Solange keine schnellen Bewegungen oder ein Davonrennen stattfindet, bleiben diese meistens ruhig.»
Komodowarane bemerken die Angst von Leuten – wie Hunde
Ansermet zieht den Vergleich zu Hunden. Diese würden auch immer zu den Leuten gehen, die Angst vor ihnen hätten. «Angst- und Adrenalinausstoss sowie falsche Bewegungen können sehr schnell einen Angriff auslösen.»
So gebe es auch bei den Profis von «Aquatis» nur drei Crew-Mitglieder, die sich dem Komodowaran nähern können. «Wenn bei uns ein Neuling zum Waran gehen muss, wird diese Person automatisch Adrenalin ausstossen. Darauf reagiert unser Komodowaran sehr dominant und es kann nach der Neugier zu einem Angriff kommen.»
Ansermet ist beruflich selbst vermehrt vor Ort im Komodo-Nationalpark. Grundsätzlich beobachtet er eine gute Entwicklung bei den Rangern. Sie seien deutlich besser ausgebildet als früher und würden die Tiere oft sehr gut kennen. So sei es manchmal auch möglich, näher als fünf Meter heranzugehen.
Änderungsbedarf gebe es beim Lohn, Ranger sind auf die Menge an Touren bezahlt und erhalten keinen Fixlohn. «Dies führt dazu, dass Quantität vor Qualität gestellt wird.» Dazu führe man derzeit mit den lokalen Behörden Gespräche.
Ranger müssen mit «Pseudo-Abenteurern» streiten
Problematischer seien die Touristen selbst: «Die Ranger müssen oft mit ‹Möchtegern-Besserwissern› und ‹Pseudo-Abenteurern› streiten. Damit sich diese aufgrund der Selfie-Mania richtig verhalten.»
Obwohl sich nicht alle Touristen richtig verhalten, kommt es selten zu Zwischenfällen. «Komodowarane sind lernfähig und haben sich sehr gut an den Massentourismus in dem einen Haupttal der Insel Komodo gewöhnt.»
Sollte man trotzdem gebissen werden, so sei es wichtig, die Wunde nicht sofort abzubinden. «Um mit dem Blutverlust das Gift wegschwemmen zu lassen.»
Einheimischer wurde von Komodowaran lebendig aufgefressen
Es gibt nämlich einen Unterschied zu einer Giftschlange. Beim Menschen liegt das Komodowaran-Gift «nur» oberflächlich in der Wunde und wird nicht ins Gewebe eingespritzt. Anders beim Wild, diese haben ein dickes Fell und die Wunde schliesst sich schnell. Somit kann das Gift im Körper agieren.
Von 2017 bis 2023 gab es total 35 Angriffe auf Menschen, diese betrafen nur die lokale Bevölkerung. Zwei der Angriffe endeten tödlich. Nur einer davon entstand im Zusammenhang mit dem Gift des Komodowarans. Der zweite Todesfall entstand «durch das lebendige Auffressen», so Ansermet.
Der letzte Unfall ereignete sich am 19. November 2023.