Laut einem Grünen-Geheimdienstexperten ist die Freilassung des Tiergartenmörders kein Tabubruch. Aber: Deutschland hat einen «schmerzhaften Preis» bezahlt.
Krassikow Putin
Putin umarmt den Tiergartenmörder Krassikow. - Kreml

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Donnerstag hat Deutschland im Zuge eines Gefangenendeals Wadim Krassikow freigelassen.
  • Der Tiergartenmörder war ein «schmerzhafter Preis» für 16 unschuldig Inhaftierte.
  • Mit dem Entschied wurde Rechtsstaat-Logik durchbrochen – ein Tabubruch ist er aber nicht.
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Der Grünen-Geheimdienstexperte Konstantin von Notz hat seine Gedanken zum jüngsten Gefangenenaustausch zwischen Deutschland und Russland mit «Spiegel» geteilt. Er gibt zu, dass der Austausch eines verurteilten Auftragsmörders für unschuldig Inhaftierte einen «schmerzhaften Preis» darstellt. Aber er verteidigt auch die Entscheidung der Bundesregierung.

Die Freilassung von Wadim Krassikow «schmerzt» von Notz. «Wir sind ein Rechtsstaat, und Rechtsstaaten haben den Anspruch, Recht und Gesetz umzusetzen», sagt er. «Dazu gehört, dass verurteilte Mörder ihre Strafe abbüssen.»

Konstantin von Notz
Konstantin von Notz. - dpa

Diese Logik wird laut von Notz in diesem Fall durchbrochen. Sie wurde der Sorge um die 16 unschuldig Inhaftierten – und deren Anspruch auf Freiheit – untergeordnet. Die Entscheidung der Bundesregierung ist aus diesem Grund «vertretbar», so von Notz.

Auf X, ehemals Twitter, führt der Fraktionsvize aus, dass trotz allem die Freude bei ihm «überwiegt»:

Entscheidung der Bundesregierung ist kein Tabubruch

Auch ist es kein Tabubruch, dass sich die exekutive über die judikative Gewalt hier hinweg setzt. Von Notz erklärt: «Die Regierung hat von einer rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht. Für solche Fragen hat der Bundesjustizminister ein Weisungsrecht.»

Natürlich hätte die Bundesregierung mit guten Argumenten sagen können, dass solche ein Austausch nicht geht, ist von Notz der Meinung. «Aber man kann diesen grossen komplexen Gefangenenaustausch nicht allein durch die juristische Brille betrachten», so der Grünen-Geheimdienstexperte weiter. Genauso wenig durch eine rein nationalstaatliche.

Putin
Wladimir Putin begrüsst den Geheimdienstmitarbeiter Wadim K. – der Tiergartenmörder ist beim Gefangenenaustausch freigekommen. - keystone

Schliesslich, vermerkt von Notz, geht es um «menschenrechtliche Erwägungen, internationale Politik und verlässliche Absprachen unter engsten Verbündeten».

Deutsche Politiker stimmen Notz zu

Politiker aus allen Lagern schätzen die Situation ähnlich ein. So schreibt Johann Wadephul von der CDU auf X, dass die Bundesregierung beim Gefangenenaustausch vor schwierigen Abwägungen stand. Sie habe offenkundig die überragende Bedeutung der Beziehungen zu den USA letztlich als handlungsweisend angesehen. Das ist «nachvollziehbar».

Für SPD-Aussenpolitiker Michael Roth ist klar, dass man manchmal «aus Gründen der Menschlichkeit mit dem Teufel einen Deal machen» muss. Er freut sich über die Freilassung der politischen Gefangen.

So auch Renata Alt, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses. Auf X schreibt die FDPlerin, dass «mutige Oppositionelle und Freiheitskämpfer» nach Deutschland kommen. «Nach Russland fliegen Spione und Mörder», holt sie aus. Deutlicher könne der Unterschied der Werte der beiden Länder nicht sein.

Erpressbar ist Deutschland aus der Sicht von Notzs aber nicht. Demokratien würden abwägen – das gehöre zu ihrem Wesen. Verhandlungen mit Zynikern, Terroristen und autoritären Regimen könnten oft in einem rechtsstaatlichen Dilemma enden.

Experte warnt vor Schlussfolgerungen über Putin

Vor der Schlussfolgerung, dass Putin nun weiss, dass er seinen Mörder und Spione freipressen kann, warnt von Notz.

«Das war eine sehr spezielle, singuläre Entscheidung», sagt er. «Von der lange nicht klar war, ob die zustande kommt oder nicht. Niemand, auch nicht Putin, kann sich darauf verlassen, dass Deutschland in ähnlich gelagerten Fällen erneut so entscheiden würde.» Das Gleiche gelte für die USA und den Westen insgesamt.

Allerdings ist der Gefangenendeal für von Notz auch kein Anzeichen dafür, dass Diplomatie mit Russland möglich ist. Der Austausch sage nichts über Putins Bereitschaft für ernsthafte Verhandlungen aus. Schon gar nicht zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine. «Er hat ja mehrfach deutlich gemacht, dass er zurzeit nicht gewillt ist zu verhandeln», sagt von Notz.

Denkst du, dass der Gefangenenaustausch den Frieden in der Ukraine fördert?

Unter Putin ist Russland ein «autokratisches, derzeit sehr aggressiv auftretendes» Land, so von Notz weiter.

Der Grünen-Geheimdienstexperte betonte aber auch die Wichtigkeit, diplomatischen Kontakt zu unterhalten. «Wenn es hilft, muss man miteinander reden. Aber dieser Gefangenenaustausch und der Ukraine-Krieg sind zwei gänzlich verschiedene Dinge.»

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