Trotz «China Cables»: Bund will keine Sanktionen gegen China
Das Wichtigste in Kürze
- Geheime Dokumente enthüllen die systematische Unterdrückung von Minderheiten in China.
- Menschenrechtler fordern von der Schweiz Sanktionen gegen China.
- Beim Bund heisst es, man habe die Besorgnis mehrfach zum Ausdruck gebracht.
Sie sind Muslime und darum der chinesischen Regierung ein Dorn im Auge. Die kommunistische Führung steckt die Minderheit der Uiguren zu Hunderttausenden in Umerziehungslager und verfolgt sie systematisch. Was bisher nur über Zeugenaussagen erahnbar war, ist seit Sonntag belegt.
Das Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) hat die chinesische Unterdrückungsmaschinerie umfassend aufgedeckt. Sie stützen sich auf geheime Dokumente der Kommunistischen Partei, den sogenannten «China Cables».
Menschenrechtler schätzen, dass bis zu einer Million Uiguren in solche Umerziehungslager gesteckt worden sein könnten – in der Regel für mindestens ein Jahr, wie aus den geheimen Dokumenten hervorgeht.
Sogar im Ausland würde China seine Botschaften und Konsulate einsetzen, um Uiguren zu bespitzeln.
Auch Schweizer Menschenrechtler sind besorgt
Die neusten Enthüllungen zu Chinas brutalem Unterdrückungsapparat schockieren auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Hierzulande leben gemäss Angela Mattli von GfbV wenige hundert geflüchtete Uiguren.
Doch vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und China bereiten der Menschenrechtsorganisation Sorgen. «Wir erwarten eine bessere Kontrolle von Produkten, die aus Ostturkestan importiert werden», sagt Mattli. China hatte die ehemalige islamische Republik Ostturkestan 1949 einverleibt und in Xinjiang umbenannt.
Darunter seien zum Beispiel Baumwoll-Produkte, die mutmasslich in Zwangslagern hergestellt würden. «Solche Produkte dürfen in der Schweiz nicht verkauft werden. Wir verlangen Sanktionen diesbezüglich», sagt die Kampagnen-Leiterin der international unabhängigen Menschenrechtsorganisation.
«Menschenrechte haben Vorrang»
Wegen des Freihandelsabkommens mit China stehe die Schweiz in der Verantwortung, die Menschenrechtssituation in China zu beobachten und entsprechend zu handeln. «Die Schweiz muss sich für die Uiguren einsetzen, auch wenn es wirtschaftliche Konsequenzen haben könnte. Die Menschenrechte haben Vorrang», betont Angela Mattli.
Weiterer Sorgen-Punkt diesbezüglich sei die «Neue Seidenstrasse», die ebenfalls durch Ostturkestan führt. Auch dort müsse die Schweiz genau hinschauen, ob die Menschenrechte eingehalten würden.
Bund: «Besorgnis mehrfach zum Ausdruck gebracht»
Das Staatssekretariat für Migration SEM spricht ebenfalls von «nur sehr wenigen» Uiguren, die hier um Asyl ersuchen würden. Doch auch beim Bund beachte man die chinesischen Regionen, die mehrheitlich von ethnischen Minderheiten bewohnt werden, sehr genau – auch die Region Xinjiang. «Sämtliche neuen Berichte, darunter auch die sogenannten ‹China Cables›, fliessen in diese rollende Lageanalyse ein», so das SEM.
Das Aussendepartement um Aussenminister Ignazio Cassis lässt ausrichten: «Die Schweiz hat ihre Besorgnis über die Menschenrechtslage in Xinjiang bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht und benutzt dafür die ganze Palette an diplomatischen Werkzeugen, die ihr dazu zur Verfügung steht.»
Bundesrat Cassis habe Ende Oktober beim Treffen mit dem chinesischen Aussenminister Wang Yi in Bern die Besorgnis der Schweiz deutlich gemacht. Bereits im März habe die Schweiz zudem beim Uno-Menschenrechtsrat eine unabhängige Untersuchung gefordert.
Von wirtschaftlichen Sanktionen heisst es bislang jedoch nichts. Nur soviel: Im Juli 2019 habe die Schweiz multilateral einen gemeinsamen Brief an den Präsidenten des Uno-Menschenrechtsrats und an die Hochkommissarin für Menschenrechte zur Situation in Xinjiang unterzeichnet. Darin würde der ungehinderte Zugang der UNO Hochkommissarin für Menschenrechte nach Xinjiang gefordert.