Trump-Kim-Show: Ein bisschen Frieden - aber auch Abrüstung?
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei Brandstifter, die sich jetzt als Feuerwehrleute präsentieren: Erst versetzte Kim Jong Un die Welt mit seinen Atom- und Raketentests in Angst und Schrecken, dann drohte Donald Trump dem «kleinen Raketenmann» mit «Feuer und Wut» die «völlige Vernichtung» an.
Bannte der historische erste Gipfel des US-Präsidenten mit Nordkoreas Machthaber im Juni 2018 in Singapur die unmittelbare Kriegsgefahr, soll das zweite Treffen am Mittwoch und Donnerstag in Hanoi symbolisch Frieden stiften - auch wenn das Ziel der atomaren Abrüstung auf die lange Bank geschoben wird.
Beide Staatsmänner lieben den grossen Auftritt. So wäre denkbar, dass Trump und Kim ein Ende des Koreakrieges (1950-53) erklären. Mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Waffenstillstand wäre es eine vertrauensbildende Massnahme von historischer Dimension, die wenig kostet. Nur ein erster Schritt in Richtung eines Friedensvertrages - denn völkerrechtlich befindet sich die koreanische Halbinsel noch im Kriegszustand. «Präsident Trump ist bereit dazu, diesen Krieg zu beenden», sagte sein Sondergesandter für Nordkorea, Stephen Biegun.
Beim Abbau des Atom- und Raketenarsenals gibt sich Trump längst mit kleinen Schritten zufrieden. Schon nach dem Treffen mit Kim in Singapur verkündete der US-Präsident vorschnell: «Von Nordkorea geht keine nukleare Bedrohung mehr aus.» Seither äussert er sich zurückhaltender, ist aber optimistisch, dass seine Bemühungen zur atomaren Abrüstung Nordkoreas - und damit zur Lösung einer der gefährlichsten globalen Krisen - auch Früchte tragen werden.
Dieser Zuversicht verpasste US-Geheimdienstkoordinator Dan Coats einen Dämpfer, als er sehr zum Missfallen Trumps vor dem US-Kongress sagte: «Wir gehen derzeit davon aus, dass Nordkorea versuchen wird, seine Fähigkeiten im Bereich Massenvernichtungswaffen beizubehalten.» Es sei unwahrscheinlich, dass Kim seine Atomwaffen aufgebe, weil er sie als überlebenswichtig für sein Regime ansehe. Trotzdem gilt: Besser miteinander sprechen als aufeinander schiessen.
Heute erzählt Trump gerne von einem Treffen nach seinem Wahlsieg im November 2016, als ihn der scheidende Präsident Barack Obama ins Weisse Haus einlud. «Und ich sagte: «Was ist das grösste Problem?» Er sagte: «Nordkorea, bei weitem.» Und ich will nicht für ihn sprechen, aber ich glaube, er hätte einen Krieg mit Nordkorea angefangen», sagte Trump über Obama. «Er sagte mir, er sei so nah dran, einen grossen Krieg mit Nordkorea anzufangen.»
Fraglich ist, ob Trump das Gespräch richtig wiedergibt. Erst recht zweifelhaft klingt seine Schlussfolgerung: «Wenn ich nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden wäre, wären wir meiner Meinung nach in einen grossen Krieg mit Nordkorea verwickelt, mit potenziell Millionen getöteten Menschen.» Ben Rhodes, damals Obamas Vize-Sicherheitsberater, stellt klar: «Wir standen 2016 nicht kurz vor einem Krieg mit Nordkorea.» Auch John Brennan, der damalige CIA-Direktor, ist sich sicher, «dass Präsident Obama nie kurz davor war, irgendeinen Krieg mit Nordkorea anzufangen, ob gross oder klein.»
Mit der geschickten Darstellung kann der US-Präsident seine Nordkorea-Politik aber in jedem Fall als Erfolg präsentieren: Selbst wenn die Verhandlungen nicht vorankommen und er sein Ziel einer «endgültigen, vollständig überprüften Denuklearisierung» Nordkoreas nicht erreicht, hätte er zumindest einen Krieg verhindert.
Beide Seiten sind sich nicht einmal einig, wie die viel zitierte «Denuklearisierung» überhaupt genau definiert werden soll. Aber immerhin liegen die letzten Atomwaffen- und Raketentests mehr als ein Jahr zurück. Also, zeigt Trumps Nordkorea-Politik aus Zuckerbrot (dem Versprechen wirtschaftlicher Entwicklung) und Peitsche (der Androhung totaler Vernichtung bei gleichzeitigen Sanktionen) Wirkung? Oder ist es Kims Annäherungspolitik, die Fortschritte ermöglicht?
Eins scheint sicher: Selbst nach dem Gipfel in Vietnam wird die atomare Abrüstung Nordkoreas - bestenfalls - nur ein Stück nähergerückt sein. «Ich denke, man kann wohl sagen, dass wir mehr Arbeit vor als hinter uns haben», sagt Trumps Sondergesandter Biegun.
Eine aufsehenerregende Friedenserklärung in Hanoi würde Showmaster Trump aber helfen, schlechte Schlagzeilen zu Hause zu verdrängen: Zuletzt das Debakel um den «Shutdown», den Stillstand von Teilen der Regierung. Dann der Streit um den von Trump an der Grenze zu Mexiko ausgerufenen Notstand, den die meisten Amerikaner ablehnen. Ausserdem machen die Demokraten im Kongress Trump das Leben schwer. Vor allem ist da FBI-Sonderermittler Robert Mueller, der untersucht, ob es 2016 Geheimabsprachen von Trumps Wahlkampflager mit Russland gab.
Dass Trump derart unter Druck steht, kommt seinem Gegenspieler Kim gelegen. Er sieht die Ausgangslage für den Gipfel wie folgt: Ihr müsst Euch bewegen, wir haben erste Schritte unternommen, sind zu neuen Massnahmen bereit, aber von Euch kam bisher so gut wie nichts. Der Stopp der Raketen- und Atomtests gehört für den Machthaber zu diesen Vorleistungen ebenso wie die Sprengungen von Tunneln am Atomtestgelände Punggye-ri, durch die das bergige Areal für weitere Versuche angeblich unbrauchbar gemacht wurde.
Kims Versprechen an die eigene Bevölkerung lautet, die marode Wirtschaft zu erneuern. Die Sanktionen stehen dem Vorhaben im Weg. Kim ist es bisher nicht gelungen, die Nahrungsmittelknappheit zu überwinden, die die Menschen des isolierten Landes seit vielen Jahren leiden lässt. Inwieweit Washington bereit ist, neben einer Friedenserklärung über ein Ende des Korea-Krieges auch auf die Forderung nach einer Lockerung der Sanktionen einzugehen, muss sich auf dem Gipfel erst noch zeigen.
Dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In sagte Kim im September, er sei willens, den grossen Nuklearkomplex Yongbyon abzubauen, falls die USA entsprechende Gegenleistungen erbringen würden. Dort stehen unter anderem ein Reaktor und eine Wiederaufbereitungsanlage, die den Bombenstoff Plutonium erzeugen. Es wird vermutet, dass Kim auf dem Gipfel in Hanoi vielleicht Pläne für den Abbau der Atomanlagen und die Zulassung internationaler Inspekteure vorlegen könnte.
Eine Demontage hätte grosse Symbolkraft. Ein Forscherteam des Zentrums für Internationale Sicherheit und Zusammenarbeit (CISAC) um Nordkorea-Kenner Siegfried Hecker kam zu dem Schluss, dass das Land im vergangenen Jahr «seine Atomeinrichtungen weiter betrieben hat, um Plutonium und hoch angereichertes Uran» zu gewinnen. «Das könnte ihm erlauben, die Zahl der Atomwaffen in seinem Arsenal von grob 30 im Jahr 2017 auf 35 bis 37 zu erhöhen.»
Aber selbst wenn der Abriss von Yongbyon beginnen sollte, gewinnt Nordkorea weiter Zeit, ohne sich von seinen Atomwaffen zu trennen. Nach Angaben des früheren hochrangigen nordkoreanischen Diplomaten Thae Yong Ho, der 2016 nach Südkorea geflüchtet war, befinden sich in Yongbyon 390 Anlagen. «Selbst wenn es ein Abkommen gibt - die Inspektionen, die Demontage und dann die Überprüfung der Schliessung der Einrichtungen können innerhalb der Amtszeit von Präsident Trump nicht abgeschlossen werden.»
Auch Thae, der sich von einem Systembefürworter zu einem lautstarken Kritiker Pjöngjangs gewandelt hat, ist sich sicher, dass Nordkorea seine Atomwaffen niemals aufgeben wird: «Was haben sie, wenn ihnen die Atomwaffen weggenommen werden? Nichts.»