Ein furchtbares Verbrechen hat Indien erschüttert wie lange kein anderes. Die Vergewaltigung und der Mord an einem achtjährigen Mädchen lösten Proteste aus, die Regierung handelte. Ihre Lösung scheint aber das Problem zu verfehlen.
Der Mord und die Vergewaltigung an einem achtjährigen Mädchen lässt die Menschen auf den Strassen demonstrieren.
Der Mord und die Vergewaltigung an einem achtjährigen Mädchen lässt die Menschen auf den Strassen demonstrieren. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Indien kommt es immer wieder zu Gewaltverbrechen und Vergewaltigungen an Mädchen und jungen Frauen.
  • Die Regierung stellt die Vergewaltigung von Kindern unter Todesstrafe.
  • Da die Politik und die Polizei in Indien eng verstrickt sind, ist die Todesstrafe keine Lösung.
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Manche sehen das Verbrechen an einer Achtjährigen als zweiten Weckruf, wenn es um Indiens Problem mit sexueller Gewalt geht. Den ersten hatte es im Jahr 2012 gegeben: Proteste nach der tödlichen Gruppenvergewaltigung einer Studentin in einem Bus in Neu Delhi hatten zu schärferen Gesetzen geführt. Ähnlich ist es im Fall der Achtjährigen in einem Dorf nahe der nordindischen Stadt Kathua abgelaufen.

Achtjährige auf brutalste Art misshandelt

Das Mädchen war entführt, tagelang in einem Tempel von mehreren Männern vergewaltigt und dann ermordet worden. Tausende Menschen gingen in den vergangenen Wochen in mehreren Städten auf die Strasse und verlangten Gerechtigkeit.

Daraufhin beschloss Indiens Regierung, die Vergewaltigung von Mädchen unter zwölf Jahren unter Todesstrafe zu stellen. Das hat jedoch wenig an der traurigen Regelmässigkeit grausamer Vergewaltigungen in Indien geändert.

Ein achtjähriges Mädchen wurde mehrmals grausam vergewaltigt und danach umgebracht.
Ein achtjähriges Mädchen wurde mehrmals grausam vergewaltigt und danach umgebracht. - Keystone

Mindestens jedes zweite Kind ist ein Opfer

In einer staatlichen Studie von 2007 gab ungefähr jedes zweite Kind an, sexuellen Missbrauch erfahren zu haben. «Anhand unserer Erfahrung würde ich die Zahl viel höher schätzen - auf etwa 85 bis 90 Prozent», sagt Ashwini Ailawadi, Mitgründer der Rahi-Stiftung in Neu Delhi.

Der Sexualmord an der Achtjährigen in Kathua war nach Ansicht von Politik-Professorin und Feministin Nivedita Menon ein Paradebeispiel für den Gebrauch einer Vergewaltigung als Kriegswaffe. Die acht hinduistischen Verdächtigen, darunter zwei Polizisten, wollten nach Angaben der Polizei mit ihrem Verbrechen eine Gemeinde muslimischer Nomaden, zu denen das Mädchen gehörte, aus der Gegend vertreiben.

Für Verstrickungen von Politik und Polizei ist die Todesstrafe ebenso wenig eine Lösung wie für Indiens ineffektive Justiz. Nach einem neuen Bericht der Stiftung des Friedensnobelpreisträgers Kailash Satyarthi würde es rund 20 Jahre dauern, den gesamten Rückstau an Zehntausenden unabgeschlossenen Verfahren wegen Kindesmissbrauchs im Land aufzuarbeiten - und das auch nur, wenn keine neuen Fälle hinzukämen.

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