Junge Chinesen lassen sich als «Vollzeit-Kinder» anstellen
Hoher Leistungsdruck und eine ausgebremste Wirtschaft sorgen in China für einen neuen Trend: Junge lassen sich von ihren Eltern als «Vollzeit-Kinder» anstellen.
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Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr junge Chinesinnen und Chinesen lassen sich von ihren Eltern anstellen.
- Grund für das Phänomen der «Vollzeit-Kinder» sind die Folgen der Corona-Pandemie.
- Die hohe Arbeitslosigkeit betrifft vor allem junge Menschen.
Litsky Li aus der chinesischen Stadt Luoyang kehrte ihrem Job als Fotografin den Rücken, um bei ihrer Familie zu bleiben. Gegen Geld.
Die 21-Jährige verbringt ihre Tage nun damit, für die Familie einzukaufen und sich um ihre demente Grossmutter zu kümmern. Dafür zahlen ihre Eltern ihr ein Gehalt von 6000 Yuan (835 Dollar) im Monat.
Wie der US-Sender «CNN» berichtet, ist Li damit nicht allein. Das Phänomen der «Vollzeit-Kinder» begann Ende letzten Jahres und breitet sich seither immer mehr in China aus.
Li erklärt: «Der Grund, warum ich zuhause bin, ist, dass ich den Druck, zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, nicht ertrage. Ich will mich nicht mit Gleichaltrigen messen.»
Hohe Arbeitslosigkeit
Was kurios klingen mag, hat einen ernsten Hintergrund: Die ständigen Lockdowns durch die strikte Null-Covid-Strategie bremsten die wachsende Wirtschaft massiv aus.
Die Folge: Die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe. Davon sind vor allem junge Menschen betroffen.
«Wenn man uns aus einer anderen Perspektive betrachtet, unterscheiden wir uns nicht von den arbeitenden jungen Leuten», sagt Li. «Sie gehen in den Städten arbeiten und verdienen ein Monatsgehalt von 3000 bis 4000 Yuan (419 bis 559 Dollar).»
Aber: «Sie können sich nicht einmal selbst versorgen», so Li weiter. «Sie essen immer noch im Haus ihrer Eltern. Sie wohnen bei ihnen oder lassen sich von ihnen ihre Wohnungen oder Autos bezahlen. Ihr Lebensunterhalt wird teilweise von den Eltern bezahlt.»
«Bekomme Angst»
Wie schwer es für junge Chinesinnen und Chinesen ist, überhaupt eine Stelle zu bekommen, zeigt das Beispiel von Nancy Chen.
Die aus der Provinz Jiangxi stammende 24-Jährige unterrichtete nach ihrem College-Abschluss an einer privaten Nachhilfeschule. Sie verlor die Stelle im Jahr 2021, als die Behörden gewinnorientierte Nachhilfedienstleistungen verboten.
Seither ist auch sie «Vollzeit-Tochter». Daneben bewirbt sie sich für ein Hochschul-Studium oder staatliche Stellen. Doch die Konkurrenz ist gross: Auf drei kürzlich ausgeschriebene Stellen bei der Stadtverwaltung der Provinz gab es 30'000 Bewerberinnen und Bewerber.
«Ich kann nicht lange eine ‹Vollzeit-Tochter› sein», sagt sie. «Ich muss die Prüfungen bestehen oder einen Job finden. «Sonst bekomme ich Angst.»