Big Brother im Büro: KI kann sogar Ihre Kaffeepausen überwachen
Schweizer Firmen setzen vermehrt auf Überwachung, um die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu steigern. Doch wie weit geht diese Kontrolle? Ein Experte klärt auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Firmen setzen KI ein, um ihre Mitarbeiter zu überwachen.
- Diese Überwachungsmechanismen im Büro sind oft schwer zu erkennen oder gar unsichtbar.
- Heimliche Überwachung am Arbeitsplatz ist nicht zulässig, aber rechtskonforme Umsetzung anspruchsvoll.
Bereits eine Mehrheit der Schweizer Firmen setzt IT-Programme ein, um ihr Personal zu überwachen und zu steuern. Tendenz rasch steigend. Ein Teil davon setzt sich zusammen aus KI-gestützter Software.
Erst kürzlich schlugen die Gewerkschaft Syndicom und Algorithm Watch Schweiz deswegen Alarm. Jetzt wird klar, dass sich Arbeitnehmende wohl mehr schlecht als recht gegen diese Überwachung wehren können. Grund: Sie zu erkennen scheint schier unmöglich.
Aber von Anfang an.
Ricardo Chavarriaga ist auf KI spezialisierter Forscher an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Auf Anfrage von Nau.ch erklärt er zunächst die Motive für Überwachung: «Neben Sicherheit ist bestimmt die Produktivität der Hauptmotivator für die Einrichtung von Überwachungsmechanismen.»
Motivation hinter der Mitarbeiterüberwachung
Das könne beispielsweise bei Maschinenbedienern, Lagerarbeitern oder Fahrern der Fall sein. «Hier können Arbeitgeber aber argumentieren, dass die Überwachungen der Bewegungen seiner Angestellten unter anderem dazu dienen, Unfälle zu reduzieren.» Auch Produktivitätssteigerung und Prozessoptimierung sind Thema.
Beim Büroangestellten sehe es deutlich heikler aus. «Hier kann aufgezeichnet werden, wie viel Zeit wir für die Arbeit aufwenden, wie viele E-Mails wir beantworten und: sogar die Länge unserer Kaffeepausen.»
Doch wie sieht eine solche Überwachung denn eigentlich aus? Können wir sie erkennen? Chavarriaga sieht schwarz: «Viele dieser Überwachungsmechanismen finden im Verborgenen statt.»
Dass es so weit kommen konnte, hat seine Gründe: Die Menschen gewöhnen sich an Technologien, die Überwachung ermöglichen. «Zum Beispiel Überwachungskameras als Sicherheitsmechanismus. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass diese auch benutzt werden können, um uns auszuspähen.»
Sichtbarkeit von Überwachungsmassnahmen
Ebenso sei man bei der Arbeit am PC an Kommunikationsmittel wie E-Mail oder Videokonferenzen gewöhnt. «Diese bieten von Natur aus die Möglichkeit, Informationen über unser Verhalten bei der Arbeit preiszugeben.»
Andere Anwendungen können die Zeit, mit der wir verschiedenen Aktivitäten auf unserem Computer nachgegangen sind, auf eine verdeckte Weise verfolgen. «In solchen Fällen läuft die Anwendung ständig im Hintergrund. Ohne für den Benutzer sichtbar zu sein.»
Während der Arbeit am Computer laufen nämlich immer Programme im Hintergrund, ohne dass der Benutzer dies bemerkt.
Chavarriaga warnt: «Darunter können sich Überwachungsprogramme verbergen, die die Tastenanschläge des Benutzers protokollieren.» Aber nicht nur das: «Sie können auch Screenshots machen und sogar Webcams aktivieren.»
Zwar sei es immer möglich, zu überprüfen, welche Programme auf dem Computer ausgeführt werden. «Aber für Laien ist es schwierig zu erkennen, welches davon ein potenzielles Überwachungsinstrument sein könnte.»
Rechtliche Aspekte der Mitarbeiterüberwachung
Was den rechtlichen Aspekt angeht, weiss der auf digitales Recht spezialisierte Anwalt Martin Steiger: «Heimliche Überwachung am Arbeitsplatz durch Arbeitgeber ist nicht zulässig.» Heimliche Überwachung sei, wenn überhaupt, Sache der Sicherheitsbehörden. «Zum Beispiel bei geheimdienstlichen Operationen oder bei polizeilichen Ermittlungen.»
Dennoch: «Die Überwachung, auch KI-basiert und vergleichbar, letztlich mit Software, ist nicht absolut verboten. Die rechtskonforme Umsetzung kann aber anspruchsvoll sein.»
Wer das Gefühl hat, dass er überwacht wird, solle sich an eine Gewerkschaft oder einen Anwalt wenden.