EncroChat: Europol liefert Schweiz Infos zum WhatsApp für Kriminelle
Die EncroChat-Ermittlungen führten europaweit zu Tausenden Festnahmen. Auch die Schweiz hat Informationen aus dem Ausland erhalten, um die Kriminellen zu jagen.
Das Wichtigste in Kürze
- In mehreren Kantonen hat die Polizei EncroChat-Geräte sichergestellt.
- Seit Mai liefert Europol Informationen ausländischer Ermittler dazu an die Schweiz.
- Es ist gut möglich, dass diese Angaben vor Gericht verwendet werden könnten.
Vergangenes Jahr machte die europäische Justizbehörde Eurojust einen gigantischen Coup gegen das organisierte Verbrechen publik. Französischen und niederländischen Ermittlern ist es gelungen, den verschlüsselten Messaging-Dienst EncroChat zu unterwandern.
Das Netzwerk wurde offenbar vorwiegend von Kriminellen genutzt. Da der Dienst als unantastbar galt, war die Kommunikation teils präzise. So haben beispielsweise in den Niederlanden Nutzer über Entführungen gechattet, was zum Fund einer Folterkammer führte.
Tausende Festnahmen in Europa
Und auch Behörden in anderen Ländern profitieren durch die Operation. Dank einem Informationsaustausch kam es in Deutschland, Grossbritannien und weiteren Ländern Europas zu insgesamt Tausenden Festnahmen. Nicht zu vergessen tonnenweise sichergestellte Drogen und hunderte Waffen.
Doch konnte auch die Schweiz von der aufsehenerregenden Arbeit der ausländischen Ermittler profitieren? Ja. Auf Anfrage von Nau.ch betätigt das Bundesamt für Polizei (Fedpol), seit Ende Mai Informationen von Europol erhalten zu haben.
Fedpol verteilt Informationen
Laut den Angaben übernimmt das Fedpol dabei eine Koordinationsrolle. Die erhaltenen Daten werden den zuständigen Kantonen übermitteln. Die Kantone respektive deren Staatsanwaltschaften entscheiden dann, ob sie Strafverfahren eröffnen.
Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist aktuell schwierig zu sagen. So bestätigt beispielsweise der Kanton St.Gallen, Geräte gesichert und Hinweise vom Fedpol erhalten zu haben. Doch können «zu Details beziehungsweise zum Umgang mit diesen Informationen aus Verfahrens-taktischen Gründen keine Angaben gemacht» werden.
Etwas anders sieht es im Grenzkanton Basel-Landschaft aus: Dort wurden zwar Geräte mit EncroChat sichergestellt, doch seien keine Informationen vonseiten Europol oder Fedpol geflossen.
Wieder andere Kantone respektive Staatsanwaltschaften wollen sich gar nicht äussern oder haben keinerlei Informationen erhalten.
Ausländische Beweise in der Schweiz wohl verwendbar
Auch der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger hat schon von Verfahren gehört, in denen EncroChat ein Thema war.
Laut Steiger ist es gut möglich, dass die Informationen vor Gericht genutzt werden können: «Die Rechtsprechung in der Schweiz gibt einen grossen Spielraum bei der Verwertung von Beweisen aus dem Ausland. Wenn sich der Verdacht aufgrund der Beweise aus dem Ausland in der Schweiz bestätigen lässt, spielt es faktisch keine Rolle, wie die Beweise im Ausland beschafft wurden.»
Privatsphäre weiterhin ein hohes Gut
Doch sieht der Experte für Recht im digitalen Raum auch ein gravierendes Problem: «In der Sache wird der Angelegenheit ein verheerendes Zeichen gegen sichere Kommunikation in Europa gesetzt.»
Steiger erklärt, dass einige Gerichte Personen aufgrund der Verwendung von verschlüsselter Kommunikation direkt als tatverdächtig sehen. Des Weiteren unterstreicht Steiger, dass für eine sichere Kommunikation Open Source unabdingbar ist: «Nur so besteht wenigstens die Chance, die Vertrauenswürdigkeit unabhängig prüfen zu können.»