30 Jahre ohne Sowjetunion - Putin kämpft um Grossmachtstatus

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Russland,

Der Zusammenbruch der Sowjetunion vor 30 Jahren brachte Millionen Menschen Freiheit. Kremlchef Putin aber spricht von einer «Tragödie». Plant er eine Wiedergeburt der Grossmacht?

Wladimir Putin, Präsident von Russland, bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion einst als «grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts». Foto: Alexei Druzhinin/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Wladimir Putin, Präsident von Russland, bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion einst als «grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts». Foto: Alexei Druzhinin/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Kremlchef Wladimir Putin trauert kurz vor dem 30.

Jahrestag des Zusammenbruchs des Superstaates Sowjetunion einmal mehr dem verlorenen Grossmachtstatus nach.

40 Prozent seines historischen Gebiets habe Russland damals verloren, klagt er in einer neuen Dokumentation des russischen Staatsfernsehens. Am 25. Dezember wurde die sowjetischen Flagge am Kreml eingezogen. Präsident Michail Gorbatschow trat nach gescheiterten Reformversuchen zurück. Der 26. Dezember 1991 gilt offiziell als das Ende der Sowjetunion, des ersten kommunistischen Staates, der rund 70 Jahre existiert hatte.

Putin bezeichnet Ende als «Tragödie»

Von einer «Tragödie» spricht der 69 Jahre alte Putin zum Jahrestag in der TV-Doku. «Das, was wir uns in 1000 Jahren erarbeitet haben, war zu einem bedeutenden Teil verloren», meint er mit Blick auf das russische Imperium, aus dem nach der Oktoberrevolution von 1917 fünf Jahre später die Sowjetunion mit ihren 15 Republiken hervorging.

Der Kremlchef erzählt, dass auch der Rohstoffgrossmacht Russland nach dem Ende der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) der Zerfall gedroht habe. Aber Putin hat in seinen mehr als 20 Jahren an der Macht nicht nur alles getan, um das flächenmässig grösste Land der Erde zusammenzuhalten. Er hat auch unter Gorbatschow gewonnene Freiheiten massiv eingeschränkt.

Eine Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts Wziom zum 30. Jahrestag des Endes der UdSSR zeigt, dass die Menschen sich vor allem an soziale Sicherheit, Stabilität und den Grossmachtstatus im Kommunismus erinnern. Die dunklen Seiten hingegen - wie die Mangelwirtschaft mit leeren Regalen und langen Warteschlangen sowie die politische Verfolgung - seien bei vielen vergessen.

Putin bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion einst als «grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts». Vor allem seit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 steht er im Verdacht, das alte Imperium wiederherstellen zu wollen. Die US-Aussenpolitikerin Victoria Nuland meinte unlängst bei einer Senatsanhörung in Washington, es gebe die Befürchtung, dass Putin als Vermächtnis versuchen könnte, die «Sowjetunion wieder zu errichten».

Nuland bezog sich vor allem auf den russischen Truppenaufmarsch nahe der ukrainischen Grenze. Seit Monaten werfen die USA und die Nato Russland vor, einen Überfall auf die Ukraine zu planen. Zwar weist Moskau das entschieden zurück. Aber der Westen blickt insgesamt mit Sorge auf die Entwicklung im postsowjetischen Raum - darunter auch die Lage in Belarus. Dort ist die Krise um Machthaber Alexander Lukaschenko ungelöst. Die Sanktionen des Westens treiben die Ex-Sowjetrepublik in die Arme Russlands.

Trotz der zunehmenden wirtschaftlichen und finanziellen Abhängigkeit von Russland betont Lukaschenko zwar, Belarus bleibe unabhängig. Doch ein lange Zeit nur auf dem Papier geführter Unionsstaat beider Länder nimmt zunehmend Konturen an. Es gehe, so Lukaschenko, um zwei eigenständige Staaten, die auf gemeinsamer wirtschaftlicher Grundlage existierten, die eine Aussen- und Verteidigungspolitik und «faktisch eine einheitliche Armee» hätten. Manch einer in Belarus fürchtet, dass Russland Belarus schon bald schlucken könnte.

Der russisch-belarussische Unionsstaat gilt nur als ein Projekt in Putins Baukasten. Seit Jahren versucht der Kremlchef, die von Russland dominierte Eurasische Wirtschaftsunion mit Leben zu füllen. Mehrere frühere Sowjetrepubliken sind dort Mitglied - wie auch in der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gegründeten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Echte Inhalte oder gar eine Konkurrenz für die EU sind hier aber nicht in Sicht.

Russland kritisiert Kiews Pläne

Moskau betont gern, niemand habe vor, eine Sowjetunion neu zu errichten. Zugleich wirft Vize-Aussenminister Andrej Rudenko dem Westen vor, Integrationsprozesse auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stören zu wollen. Es gebe ein «Streben des Westens, das postsowjetische Gebiet in eine Zone ständiger Konflikte und Spannungen zu verwandeln». So stört sich Russland etwa an Bestrebungen in den Ex-Sowjetrepubliken Georgien und der Ukraine, der EU und der Nato beizutreten.

Zum 30. Jahrestag des Endes der Sowjetunion gibt es jede Menge Konferenzen und Veröffentlichungen zu den Gründen und Nachwehen des Zerfalls des Imperiums. Die verkrustete Planwirtschaft und fehlende Wirtschaftsreformen, niedrige Öl- und Gaspreise sowie hohe Rüstungsausgaben hatten das Land ruiniert. Zwar versuchte der Reformer Gorbatschow mit seiner Politik der Perestroika (Umgestaltung), das Land zu erhalten. Doch musste der Friedensnobelpreisträger zuschauen, wie nach den baltischen Staaten eine Republik nach der anderen ihre Unabhängigkeit erklärte.

«Die Ergebnisse der Perestroika lassen sich nicht auf den Zerfall der Sowjetunion reduzieren», sagt er kurz vor dem Jahrestag der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Im Laufe der Jahrzehnte hätten sich viele Probleme angestaut. «Wir haben erst spät darauf reagiert. Dies war mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden.»

Putin kämpft um Grossmacht-Status

Unter Putin kämpft Russland seit Jahren um den Status als Grossmacht. Doch sehen Kritiker den Kremlchef zu sehr in der Vergangenheit gefangen - und nicht willens, sich grossen Zukunftsaufgaben wie etwa dem Schutz des Klimas zu stellen. Die Rohstoffmacht setzt weiter vor allem auf Einnahmen aus dem Öl-, Gas- und Kohleverkauf. Der britische Experte Barry Buzan schreibt in einem Aufsatz für die Moskauer Zeitschrift «Russland in der globalen Politik», das Land habe es versäumt, sich zu erneuern.

Russland sei im Vergleich zu seinem grossen Nachbarn China wirtschaftlich schwach - und könne heute wie früher allenfalls als hochgerüstete Atommacht den Status verteidigen, meint Buzan. Das Riesenreich habe «bedeutendes Potenzial» als Aggressor etwa auch in der Cyberwelt, besitze aber keine ökonomischen und ideologischen Einflussinstrumente mehr. Darüber, empfiehlt Buzan, sollte sich das Land drei Jahrzehnte nach dem Ende der Sowjetunion Gedanken machen.

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