Alkohol ist bei Generation Z unbeliebt
Der Konsum von Alkohol bei Deutschen unter 25 ist in den letzten Jahren stark gesunken. Warum die Gen Z weniger trinkt, erklärt Abstinenzlerin Serin.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Generation Z konsumiert weniger Alkohol als ihre Vorgänger.
- Gründe könnten unter anderem Selbstoptimierung oder weniger soziale Interaktion sein.
Das Trinken von Alkohol ist Teil der deutschen Kultur. Ein Oktoberfest ohne Bier oder ein Weihnachtsmarkt ohne Glühwein ist für die meisten nicht vorstellbar. Doch die Generation Z stellt diese Traditionen in Frage.
«Wenn du nicht ohne Alkohol lustig sein kannst oder du selbst bist, dann läuft irgendwas schief«, erklärt die Auszubildende Serin. Die Berlinerin, die 2002 geboren wurde, spricht in einem energischen Ton. Dieser Überzeugung ist nicht nur sie.
Auch ein Grossteil von Serins Freunden trinkt angeblich kaum oder gar keinen Alkohol. Davon abgesehen haben sie alle etwas gemeinsam: Sie zählen zur Generation Z. Also zu den Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Üblicherweise werden sie auch Gen Zers oder Zoomer genannt.
Vermeidung des Kontrollverlusts
Zeichnet sich in der Generation Z etwa ein neuer Trend zur Nüchternheit ab? Als Rauschtrinken wird der Konsum von mindestens fünf Getränken bei einer Party bezeichnet. Seit 2004 wird es von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhoben. Eine Befragung unter den 12- bis 25-Jährigen in Deutschland ergab, dass der Alkoholkonsum in dieser Altersgruppe langfristig rückläufig ist.
So gaben im Jahr 2004 noch 21 Prozent der 12- bis 17-Jährigen an, mindestens einmal pro Woche Alkohol zu trinken. Im Jahr 2021 waren es hingegen nur noch knapp neun Prozent. Bei den 18- bis 25-Jährigen ging die Zahl im gleichen Zeitrahmen ebenfalls von 44 auf 32 Prozent zurück.
Viele Millennials – die zwischen 1980 und 1994 geborenen Menschen – betranken sich also öfter. Die Gen Zers halten sich hingegen vom exzessiven Rausch fern. «Die Vermeidung von Kontrollverlust ist aus soziologischer Perspektive einer der wesentlichen Gründe», erklärt der Sozialwissenschaftler Heino Stöver. Er arbeitet am Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences.
Selbstoptimierung und Präsentation
Kontrolle bestimme den Alltag der meisten Jugendlichen, besonders mit Blick auf die eigene Social-Media-Performance, sagt Stöver. Beispielsweise könne eine falsch formulierte Whatsapp-Nachricht eine ganze Freundschaft zerstören.
Ein unangenehmer Auftritt unter Alkoholeinfluss sei daher für viele Zoomer gesellschaftlich schlichtweg zu riskant. Serin etwa ist der Ansicht, viele versteckten sich hinter dem Alkohol, um angetrunken aus sich herauszukommen. Sie rät, zunächst an dem Selbstwertgefühl zu arbeiten, bevor man es mit Alkohol kompensiert.
Aber verstecken sich viele ihrer Gleichaltrigen nicht auch – und zwar hinter ihren wohl kuratierten Profilen im Internet? «Schöntrinken und Aufpolieren mit Photoshop haben ja was gemeinsam», scherzt Stöver. Selbstoptimierung und Präsentation seien unter den Jüngeren sehr wichtig.
Mehr Chat – weniger physische Treffen
Junge Menschen agierten eben viel in der virtuellen Welt, sagt der Sozialwissenschaftler. Analoge Treffen und das damit assoziierte Feiern fänden weniger statt. Alkohol, das Rauschtrinken, das «Besäufnis» sei nicht mehr von zentraler Bedeutung.
Lieber im Chat als angetrunken im Park: Hat die Pandemie das Sozialleben Jüngerer verändert? Die Corona-Zeit habe zwangsläufig dazu geführt, dass die Online-Aktivitäten von jungen Menschen zunahmen, erklärt die Psychologin Pauline Stockmann. So haben Instagram und Co. die soziale Isolierung zwar entlastet, aber dafür andere Probleme verstärkt, wie beispielsweise den Fokus auf Äusserlichkeiten.
Der von Stockmann ins Leben gerufene «Happy Clappy Club» ist ein modernes Praxiskonzept und richtet sich direkt an Gen Zers. Therapiert und beraten wird deshalb nicht nur in den Räumlichkeiten ihrer Berliner Praxis, sondern auch auf Social Media. «Wir nennen es Psychotainment (Psychologisches Entertainment).» Dabei gehe es nicht darum, Themen wie Liebeskummer inhaltlich zu bagatellisieren, sondern psychische Störungen zu enttabuisieren.
Alkohol wird in «multikultureller Gesellschaft» seltener genossen
Als Gründe für die Alkoholabstinenz unter Zoomern vermutet die Psychologin das Bedürfnis nach Selbstfürsorge. Auch der Wunsch, «verankerte Traditionen zu hinterfragen und verändern zu dürfen» spielt eine grosse Rolle. Zusätzlich gebe es in einer pluralistischen Gesellschaft mehr Ausdrucksformen, fügt Stöver hinzu. «Ausserdem sehen wir auch Tendenzen zur Verhöhnung von Alkohol in einer multikulturellen Gesellschaft.»
Im Fall von Serin spielt sich das Sozialleben im Tanzstudio ihrer Hip-Hop-Crew ab. Die Wochenenden seien bei ihr primär ruhig: Serien schauen und Spiele spielen. Ab und an gehe sie aber auch mit Freunden raus. Zum Essen.