Homeoffice und mobiles Arbeiten bleiben auch nach der Pandemie auf der Tagesordnung. Wie stark können die Beschäftigten bei der Ausgestaltung mitreden? Ein neues Gesetz soll helfen.
Ein neues Gesetz soll der Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt dienen. Foto: Christian Charisius/dpa
Ein neues Gesetz soll der Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt dienen. Foto: Christian Charisius/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Beschäftigte im Homeoffice sollen in Deutschland künftig mehr Rechte und Mitsprache haben.
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So sollen Betriebsräte künftig bei Geräten und Geld fürs Homeoffice stärker mitreden dürfen.

Dort werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Unfällen auf dem Weg zur Kita des Kindes auch von der Unfallversicherung geschützt - anders als heute. Das beschloss der Bundestag nun mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz von Hubertus Heil (SPD). Generell soll das Gesetz die Bildung von Betriebsräten erleichtern. Heute sind die Arbeitnehmervertretungen in vielen kleineren Firmen Mangelware.

Für das Gesetz stimmten die Abgeordneten der Koalition und der Grünen. Die Linke enthielt sich. AfD und FDP stimmten dagegen. Die Gewerkschaften begrüssten das Gesetz im Grundsatz. Der Bundesrat muss sich noch abschliessend damit befassen.

MOBILES ARBEITEN

Betriebsräte sollen beim Homeoffice mitbestimmen können - etwa wenn es um die Erfassung der Arbeitszeit, um die Ausrüstung mit Geräten oder das Entgelt des Arbeitgebers für die Nutzung privaten Wohnraums geht. Das könnte für Millionen Beschäftigte wichtig werden, wenn in den Betrieben nach dem pandemiebedingten Homeoffice Regeln für die Zukunft aufgestellt werden. Laut einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens EY wollen die meisten Beschäftigten dann weiter teils im Homeoffice arbeiten. 38 Prozent bevorzugen demnach wöchentlich drei bis vier, 36 Prozent nur noch ein bis zwei Büroarbeitstage. Mit dem Gesetz soll Betriebsräten auch erleichtert werden, ihre Sitzungen per Video oder Telefonkonferenz abzuhalten. Grüne und Gewerkschaften monierten, wichtig wäre in der digitalen Arbeitswelt auch ein digitales Zugangsrecht für die Gewerkschaften zu den Beschäftigten.

VERSICHERUNGSSCHUTZ BEI UNFÄLLEN

Mit dem Gesetz wurde eine bessere Absicherung von Beschäftigten im Homeoffice bei Unfällen beschlossen. Ausgeweitet wird der Versicherungsschutz auf dem Weg im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang. Auch soll es Versicherungsschutz für Unfälle auf Wegen geben, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder ausser Haus zurücklegen, zum Beispiel zur Kita. Heil hatte Homeoffice über die Pandemie hinaus ursprünglich auf weitergehende gesetzliche Grundlagen stellen wollen, war aber in der Koalition an der Union gescheitert.

PROBLEME FÜR BETRIEBSRÄTE HEUTE

IG-Metall-Vizechefin Christiane Benner betonte, heute werde jede sechste Betriebsratsgründung verhindert - «mit teilweise rabiaten Methoden und persönlichen Folgen». Verdi-Chef Frank Werneke sagte: «Es besteht seit vielen Jahren Handlungsbedarf für einen verbesserten Schutz bei der Gründung von Betriebsräten.» Während in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten mehr als 80 Prozent Betriebsräte haben, sind es etwa bei Betrieben mit 50 bis 100 Beschäftigten rund ein Drittel. Laut einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeiteten im vergangenen Jahr zudem nur 43 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Branchentarifvertrag.

GRÜNDUNG VON BETRIEBSRÄTEN

Um die Mitbestimmung zu stärken, wird Kündigungsschutz bei der Anbahnung von Betriebsräten verbessert: Wer die Errichtung eines solche Gremiums vorbereitet, darf nicht gekündigt werden - ausser betriebsbedingt. Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke bemängelte deshalb, der Kündigungsschutz sei zu schwach. In kleinen Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sollen für einen Betriebsrat keine Stützunterschriften mehr erforderlich sein. Künftig sollen Beschäftigte schon ab 16 Jahren ihren Betriebsrat wählen können.

PRO UND CONTRA IM BUNDESTAG

In der Debatte sagte die SPD-Fraktionsvizechefin Katja Mast: «Moderne Wirtschaft kann nicht von oben diktiert werden - sie braucht Mitsprache.» Sie betonte: «Dieses Gesetz ist ausdrücklich eine Ermutigung der Gründung von Betriebsräten.» Der AfD-Abgeordnete Uwe Witt griff die SPD an, die sich als «grösster Wohltäter» zeige. Das Gesetz sei «ein massiver Eingriff in Weisungsrecht, Vertragsfreiheit und unternehmerische Freiheit».

PERSPEKTIVEN

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Dank des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wird es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in vielen Betrieben leichter fallen, Betriebsräte zu bilden.» Das Gesetz werde «den mitbestimmungspolitischen Stillstand» der vergangenen Jahrzehnte aber nicht überwinden. Verdi-Chef Werneke meinte, es gebe noch viel zu tun, damit die betriebliche Mitbestimmung in der digitalen Welt wirksam funktioniere. «Erheblichen Handlungsbedarf gibt es auch in der Unternehmensmitbestimmung, immer mehr grosse Konzerne - insbesondere in der Dienstleistungswirtschaft - verhindern die Wahl von Aufsichtsräten, in denen Beschäftigte und ihre Gewerkschaft vertreten sind.»

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