BGH prüft: Muss Familie nach Behördenfehler ihr Haus räumen?
Eine Familie zieht ins neu gebaute Eigenheim. Dann der Schock: das Amt hat einen Fehler gemacht, der eigentliche Besitzer will sein Grundstück zurück. Das schaut sich nun der Bundesgerichtshof an.
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) prüft, ob eine Familie aus dem brandenburgischen Rangsdorf wegen eines Behördenfehlers ihr Haus und Grundstück räumen muss. Die betroffenen Eheleute W. hatten das Grundstück 2010 bei einer Zwangsversteigerung erworben. Doch nachdem sie darauf ein Haus gebaut und mit ihren zwei Kindern eingezogen waren, meldete sich der ursprüngliche Eigentümer und forderte das Grundstück zurück.
Der Mann hatte erst nach dem Zuschlag von der Zwangsversteigerung seines Grundstücks erfahren. Der Fehler liege beim Amtsgericht Luckenwalde, entschied 2014 das Landgericht Potsdam. Es habe versäumt, zuvor in ausreichendem Masse nach dem Eigentümer zu suchen. Die Versteigerung sei daher nicht rechtens und der Kläger weiterhin Eigentümer des Grundstücks, das er 1991 von seiner verstorbenen Tante geerbt hatte.
Familie soll binnen eines Jahres ihr Haus räumen
Der Eigentümer zog anschliessend gegen die Eheleute vor Gericht. Das Oberlandesgericht Brandenburg gab seiner Klage im Juni 2023 weitgehend statt. Es verurteilte Familie W. dazu, binnen eines Jahres ihr Haus abzureissen und das Grundstück zu räumen. Ausserdem soll sie eine Grundschuld über 280'000 Euro plus Zinsen für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen.
Das OLG hatte zunächst keine Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Eine Beschwerde der Eheleute dagegen hatte aber wiederum Erfolg, sodass der Fall schliesslich doch beim höchsten deutschen Zivilgericht landete. Die Frist für Räumung und Abriss wurde verlängert. Am Freitag verhandelt der BGH zu der Sache in Karlsruhe. Ob auch schon ein Urteil fällt, ist unklar. (Az. V ZR 153/23)
«Gefangen im eigenen Heim»
Familie W. hat Zweifel daran, ob hier wirklich der Fehler beim Amtsgericht lag. Aus ihrer Sicht hat die Behörde sehr wohl im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach dem eigentlichen Besitzer gesucht, erklärt Hausbesitzerin W. im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Für die Familie steht ein «vermeintlicher Justizfehler» noch im Raum. So sei der Beschluss zur Aufhebung des Zuschlags gefasst worden, ohne die Eheleute zu hören und sei trotz von ihnen im Nachgang vorgetragener Mängel rechtskräftig, kritisiert W.
Die Sorge um ihr Haus bereite ihr schlaflose Nächte, sagt sie. Seit Jahren würde das Paar Arbeiten am Haus nach hinten schieben, weil ihnen ihr Zuhause womöglich entzogen werde. Einiges befinde sich noch im Rohbau. «Ich bin ein Stück weit gefangen im eigenen Heim», sagt W. Einfach hinschmeissen könne sie nicht. Sie stehe im Grundbuch, verkaufen könne sie das Haus aber nicht. Sie müsse einen Kredit bedienen, ein erneuter Hausbau sei also nicht drin.
Muss das Land den Schaden ersetzen?
Sollten die Karlsruher Richterinnen und Richter die Entscheidung des OLG bestätigen, wäre das Urteil damit rechtskräftig. Die Familie könnte dann Anspruch darauf haben, dass das Land Brandenburg ihnen den entstandenen Schaden ersetzt. Denn nach der sogenannten Amtshaftung muss in bestimmten Fällen, in denen ein Beamter eine ihm obliegende Amtspflicht verletzt, das Land als Dienstherr für den entstehenden Schaden aufkommen.
«Das Land Brandenburg steht in der Verantwortung, die durch den Fehler bei der Zwangsversteigerung verursachten materiellen Schäden zu ersetzen», erklärt ein Sprecher des brandenburgischen Justizministeriums auf dpa-Nachfrage. In welcher Höhe ein Amtshaftungsanspruch bestehen wird, hänge von dem Ausgang des Zivilrechtsverfahrens am BGH ab. Das Ministerium stehe mit Familie W. im kontinuierlichen Austausch und strebe eine aussergerichtliche Einigung mit ihr an.