Darum ist der Klimaschutz vielen plötzlich egal
Die Schlagzeilen werden dominiert von Kriegen und umstrittenen Präsidenten. Klimaschutz? Seit Monaten gefühlt kein Thema mehr. Was dahintersteckt.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Klimawandel ist nach wie vor die grösste Bedrohung für die Menschheit.
- Die Schlagzeilen werden aber von anderen Themen dominiert.
- Umweltverbände reagieren und wollen aufzeigen, dass Klimaschutz nichts Negatives ist.
Katy Perry fliegt aus Vergnügen ins All. Die Flugbuchungen haben weltweit wieder den Stand von vor der Coronapandemie erreicht; für 2025 wird gar ein neuer Rekord erwartet.
Grüne Parteien verlieren in Wahlen in ganz Europa an Boden. Die Schlagzeilen werden dominiert von Donald Trump, dem Ukraine-Krieg oder dem Nahost-Konflikt.

Der Klimawandel? Scheint seit geraumer Zeit ganz weit weg zu sein. Die Notwendigkeit einer nachhaltigen, bewussten Lebensweise? Quasi aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.
Dabei gibt es keinerlei Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil: 2024 war das mit Abstand heisseste Jahr seit Messbeginn. Die zehn Jahre von 2015 bis und mit 2024 waren die zehn heissesten Jahre seit jeher.
Die Prognosen sind düster, die Fakten klar
Und die Prognosen sind düster: Die Gletscher in Mitteleuropa schmelzen weiter, das Eis der Polkappen verschwindet immer mehr. Teile Südeuropas befinden sich im Wandel zur Wüstenlandschaft.

Die Fakten also sind klar. Bloss scheint das niemanden mehr zu interessieren.
«Es gab vor Jahren schon Tendenzen, dass Leute sagen: ‹Wir möchten aber bitte weiter so leben wie bisher.›» Das sagt Soziologe Dennis Eversberg in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung».
Drei verschiedene Typen um Umgang mit dem Klimawandel
Eversberg hat mit seinem Team untersucht, welche Grundhaltung die Menschen zum Thema Klimaschutz haben. Gemäss seiner Studie gibt es drei Spektren.
Zum ökosozialen Spektrum gehören rund ein Viertel der Bevölkerung. Diese meist urban lebenden Personen bejahen die Notwendigkeit von Massnahmen für den Klimaschutz.
Zum konservativ-steigerungsorientierten Spektrum gehören 36 Prozent der Bevölkerung – der typische Mittelstand mit Auto und Eigenheim.
Das Credo dieses Spektrums: «Klimaschutz ist schön, wenn man ihn haben kann. Aber das Entscheidende ist, dass wir die Wirtschaft wieder zum Laufen bekommen», beschreibt Eversberg.
Das dritte Spektrum ist defensiv-reaktiv. «Das ist der Teil der Bevölkerung, der in die Abwehrhaltung reingeht und sagt: Wir kommen mit diesen ganzen Veränderungen nicht mehr klar», erklärt Eversberg.
Klimapolitik erscheine hier als eine Bedrohung. «Als etwas, das für die eigene gesellschaftliche Situation schädlich ist, wovon man überfahren wird.»
Auch der WWF spürt das steigende Desinteresse
Und gerade dieses Spektrum hat in den vergangenen Jahren deutlichen Zulauf erhalten.
Das bestätigt der WWF. «Auch wir spüren gesellschaftliche Trends, die einem wirksamen Klimaschutz entgegenwirken», sagt Sebastian Obrist zu Nau.ch.
Dazu gehörten die Vermeidung von Nachrichten aller Art durch gewisse Bevölkerungsschichten. Insbesondere von News, die als negativ wahrgenommen würden.
«Weil viele Menschen mit dem Thema Klima eher Negatives verbinden – Katastrophenmeldungen hier, Verbote dort –, ziehen sie sich zurück. Oder glauben vielleicht sogar, wir können der Klimakrise ohnehin nichts entgegensetzen.»
Was der WWF ebenfalls mit Sorge beobachtet: die zunehmende ideologische Aufladung der Debatte rund um den Klimaschutz.
«Gerade im medialen Kontext wird Klimaschutz teilweise als linkes oder progressives Anliegen dargestellt», sagt Obrist.
Das bestätigt auch die Studie von Eversberg: Zum defensiv-reaktiven Spektrum zählen vorab Wähler der AfD, also politisch rechts eingestellte Menschen.
Es gibt auch positive Signale
Dabei, sagt Obrist, beträfe die Klimaerwärmung und ihre Folgen uns alle, unabhängig von der jeweiligen politischen Gesinnung.
Was der WWF zudem feststellt: «In der medialen Öffentlichkeit werden längerfristige Krisen, die unsere Lebensgrundlagen grundsätzlich infrage stellen, überlagert. Und zwar von anderen Krisen wie Kriegen, Inflation oder steigenden Krankenkassen-Prämien.»
Trotz allem gäbe es aber auch positive Signale, meint Obrist. «Die Leute wollen selbst etwas tun. Wir konnten im vergangenen Jahr einen neuen Rekord bei den Freiwilligen verzeichnen. Insgesamt wurden über 90'000 Arbeitsstunden von Freiwilligen geleistet.»

Auch gesellschaftlich gäbe es durchaus erfreuliche Entwicklungen. So entfallen beispielsweise 92 Prozent der neu gebauten Stromerzeugungskapazitäten auf erneuerbare Energien.
Insgesamt müssten der WWF und andere Umweltverbände noch besser aufzeigen, dass Klimaschutz nichts Negatives sei. Sondern im Gegenteil die Voraussetzung für eine lebenswerte Zukunft.
«Was wir noch stärker betonen sollten, ist, dass Klimaschutz auch aus ökonomischer Sicht die vernünftigste Option ist», sagt Obrist.
Die schwierige Aufgabe der Umweltverbände
Jeder Franken, der heute in Klimaschutz investiert werde, rechne sich in Zukunft doppelt und dreifach.
Die Umweltverbände stehen also vor einer schwierigen Aufgabe: Einerseits müssen sie das Bewusstsein für die Klimaerwärmung zurück in die Köpfe der Menschen bringen.
Zudem aufzeigen, dass Klimaschutz nichts Negatives ist. Und die Menschen überzeugen, dass Investitionen ins Klima sinnvoller sind als in Flugreisen.