Briten-Kids können «nicht mit Besteck essen»
Britische Jugendämter schlagen wegen Kinderarmut Alarm: Seit der Corona-Pandemie haben die Probleme stark zugenommen, Kinder gingen vergessen.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut britischen Jugendämtern leben 4,2 Millionen Kinder in Armut.
- Vor allem britische Familien mit drei oder mehr Kindern sind betroffen.
- Die Jugendämter fordern deshalb Investitionen und eine Abkehr vom Sparkurs.
Grossbritannien gilt als reiches Land. Doch das Bild, das ein Bericht der Chefs der Jugendämter nun zeichnet, passt gar nicht zu dieser Annahme.
In dem Papier mit dem Titel «Die Kindheit ist entscheidend» («Childhood matters») werden Zahlen zur Kinderarmut aufgelistet: 4,2 Millionen Kids in Grossbritannien leben in Armut, fast die Hälfte jener mit zwei oder mehr Geschwistern sind betroffen. Psychische Probleme hat jeder vierte Jugendliche, die Zahl der Schulschwänzer hat seit der Pandemie zugenommen.
John Pearce ist der Leiter des Jugendamts in Durham, wo die Armut gross ist: Die Zahl der ausgegebenen Lebensmittelgutscheine hatte sich in einem Jahr fast verdoppelt. Tausende Familien werden aufgrund der Armut nicht mehr besteuert.
Gegenüber dem «Spiegel» führt er aus: «Wir sehen Schulkinder, die nicht mit Messer und Gabel essen können.» Sie seien daher nicht bereit für die Schule.
In Grossbritannien ist mittlerweile von den «Covid Kids» die Rede – Kindern, die in der Pandemie vergessen gingen.
«Sie konnten während Corona monatelang nicht in die Schule und waren für die Fachkräfte nicht sichtbar», so Pearce. Dadurch müssten jetzt noch mehr Kinder in die Obhut der Jugendämter genommen werden. Viele seien motorisch und sprachlich unterentwickelt. Arme Kinder würden öfters übergewichtig.
«Wir stehen am Abgrund»
Er sieht die Armutsprobleme als Folge langjähriger Politik: Seit 2010 seien die finanziellen Mittel in den Kommunen fast halbiert worden. Die Jugendämter müssten extrem sparen. Deshalb bezeichnet er das Papier als Warnruf und fordert mehr Investitionen: «Wir stehen am Abgrund und wissen nicht, wie es morgen weitergeht.»
Dabei dürften die Probleme auch die Finanzpolitiker in London interessieren. Pearce: «Kinder, die nicht mit Besteck essen lernen, sind selten die Steuerzahler von morgen.»