Bruno Frémont gibt den Toten von Verdun (F) ihre Namen zurück
Heute Sonntag gedenkt Frankreich und Deutschland an die Toten in Verdun (F). Der französische Arzt Bruno Frémont will ihnen ihre Identität zurückgeben.
Das Wichtigste in Kürze
- Bruno Frémont hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Toten von Verdun (F) zu identifizieren.
- Vor hundert Jahren sind im Ersten Weltkrieg unzählige Soldaten in Frankreich gefallen.
Grüner Kittel, hellgrüne Haube, blaue Handschuhe: Konzentriert beugt sich der Arzt Bruno Frémont über den Arbeitstisch. Er identifiziert deutsche oder französische Soldaten, die auf den Schlachtfeldern von Verdun ums Leben gekommen sind. In dem Ort westlich von Saarbrücken erinnerte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron heute Dienstag an die Toten des Ersten Weltkriegs.
Vor den Gedenkfeiern zum hundertsten Jahrestag des Waffenstillstands vom 11. November 1918, zu denen ab Samstag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Frankreich erwartet wird, hat Frémont wieder alle Hände voll zu tun. Die sterblichen Überreste wurden bei Strassenarbeiten in der Nähe des Forts von Douaumont gefunden, um das 1916 eine der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkriegs tobte.
Frémonts Motivation
Schon als Kind kam der heute 62 Jahre alte Frémont mit den Toten von Verdun in Berührung. Mit seinen Klassenkameraden fuhr er regelmässig mit dem Fahrrad zu den ehemaligen Schlachtfeldern. «Die Erwachsenen haben uns zwei Dinge eingeschärft», erinnert er sich. «Niemals eine Mine berühren, und gefundene Knochen im Beinhaus abgeben.»
Frémont sagt, er sei aber auch wegen seiner Familiengeschichte «durchdrungen vom Grossen Krieg», wie der Erste Weltkrieg mit seinen Millionen von Toten in Frankreich bis heute genannt wird. Denn beide Grossväter kämpften gegen die Deutschen, sein Urgrossvater war Schriftsteller und Kriegsreporter.
Der Fall Hans Winckelmann
Heute wird der Rechtsmediziner angerufen, wenn irgendwo bei Verdun Knochen gefunden werden. Meistens handelt es sich um Teile eines Skeletts. Im Beinhaus von Douaumont, das Macron zusammen mit einer Schülergruppe besuchen wollte, liegen Überreste von mehr als 130'000 nicht identifizierten Soldaten.
Für den Deutschen Hans Winckelmann ist Frémont nach dem Fund seines Skeletts bis zum Äussersten gegangen: «Ich habe alle Erdschollen aufbrechen lassen», berichtet der Arzt. «Unter der letzten lag dann die Marke.» Winckelmann, der aus dem schleswig-holsteinischen Ratzeburg stammte, konnte schliesslich im Mai 2016 auf einem deutschen Soldatenfriedhof nordwestlich von Verdun neben seinem Bruder Karl bestattet werden – auch dieser war im Ersten Weltkrieg getötet worden.
Erfolg mit DNA-Analyse
Neben den Erkennungsmarken hat der Arzt inzwischen auch andere Möglichkeiten zur Identifizierung der Toten: Im Februar wurde auf dem Friedhof von Douaumont der französische Gefreite Claude Fournier beerdigt, bei dem erstmals ein Nachweis per DNA-Analyse gelungen war. Auf diesen Fall ist Frémont besonders stolz. Dass ein Nachfahre des Soldaten für den Gentest aufgespürt werden konnte, sei einer «Serie wundersamer Zufälle zu verdanken», sagt er.
Den Toten ihre Identität zurückzugeben, ist aber nicht nur für die Verwandten wichtig, wie der Arzt betont: «Die jungen Generationen werden die Geschichte und das Leid nur dann begreifen, wenn sie die Namen der Kämpfer kennen.»