Bundesregierung friert Hilfsgelder für Afghanistan ein

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Deutschland,

Afghanistan war bisher das Empfängerland Nummer eins für Entwicklungshilfe. Mit hunderten Millionen Euro wurde das Land jedes Jahr unterstützt. Der Siegeszug der Taliban ändert das jetzt schlagartig.

Ein Schild in Kundus weist auf die Finanzierung einer Strasse durch die Bundesrepunlik hi. Foto: picture alliance / dpa
Ein Schild in Kundus weist auf die Finanzierung einer Strasse durch die Bundesrepunlik hi. Foto: picture alliance / dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundesregierung hat nach der Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban neben der Entwicklungshilfe auch alle anderen staatlichen Hilfszahlungen ausgesetzt.

«Was die Entwicklungshilfe angeht, aber genauso unsere Stabilisierungsmassnahmen, haben wir diese Mittel jetzt erst einmal eingefroren», sagte Aussenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag nach einer Sitzung des Krisenstabes der Bundesregierung in Berlin. Man wolle sich zunächst die weitere Entwicklung in Afghanistan ansehen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, Deutschland habe beim Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ausdrücklich erklärt, die Entwicklungshilfe für das Land nicht sofort einzustellen. Aber «unter den jetzt gegebenen Umständen (...) können wir keine Entwicklungshilfe machen». Das habe Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) deutlich gemacht.

Afghanistan war bisher die Nummer eins unter den Empfängerländern deutscher Entwicklungshilfe. Für dieses Jahr waren 250 Millionen Euro veranschlagt. Davon ist aber noch kein Euro ausgezahlt worden. Daneben flossen bisher Gelder aus anderen Ressorts an Afghanistan, zum Beispiel für humanitäre Hilfe oder Polizeiausbildung. Insgesamt hatte Deutschland für dieses Jahr 430 Millionen Euro zugesagt.

Maas sagte, nicht nur Deutschland, auch andere Staaten hätten solche Zahlungen gestoppt. «Es gilt zu überprüfen, wo man humanitär helfen kann.» Dies gelte nicht nur für Afghanistan, sondern das werde in der kommenden Zeit vor allen Dingen für jene Menschen gelten, die aus Afghanistan in die Nachbarstaaten fliehen würden.

Müller hatte der Deutschen Presse-Agentur und der «Rheinischen Post» gesagt, alle deutschen und internationalen Mitarbeiter der für die staatliche Entwicklungshilfe zuständigen Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hätten sicher das Land verlassen. «Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Ortskräfte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und mit uns kooperierender Hilfsorganisationen, die dies wollen, sicher aus Afghanistan zu bringen», ergänzte Müller. Knapp 1100 Ortskräfte waren zuletzt noch in deutschem Auftrag tätig.

Der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, hat indessen angekündigt, dass die EU Afghanistan weiterhin mit Hilfen unterstützen wird. Die Union sei bereits der grösste globale Spender für Afghanistan und werde auch künftig Menschen in Not helfen, schrieb er am Dienstag auf Twitter. Die Hilfe beruhe auf den Prinzipien der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) will in Afghanistan präsent bleiben. «Trotz der schwierigen Lage wollen wir unsere Programme weiterführen. Unsere Lkw sind auf der Strasse», sagte der Sprecher der Organisation in Deutschland, Martin Rentsch, der Deutschen Presse-Agentur. «Wir wollen bleiben, solange es für unsere Mitarbeitenden sicher genug ist.» Auf die Frage, ob es Kontakte zu den Taliban gebe, sagte er: «Wir reden mit allen Akteuren in jedem Konflikt, um letztlich Menschen in Not zu erreichen und zu helfen.»

Insbesondere die hohe Zahl an Menschen, die innerhalb Afghanistans auf der Flucht seien, bräuchte Hilfe, so Rentsch. «Seit Anfang des Jahres haben wir 5,5 Millionen Menschen mit Hilfe erreicht. Einer von drei Afghanen geht hungrig zu Bett. Insgesamt 14 Millionen Menschen leiden Hunger. Zwei Millionen Kinder sind mangelernährt.»

Es gebe in Afghanistan eine ganze Reihe an Problemen, Dürre und die Corona-Pandemie verschärften die Lage, führte Rentsch aus. «Konflikt, Hunger und Vertreibung bringen das Land an den Rand einer humanitären Katastrophe.» Das Welternährungsprogramm sei seit 1963 in Afghanistan präsent und wolle auch weiter der Bevölkerung dort helfen.

Die FDP kritisierte, die Aussetzung der Hilfszahlungen erfolge zu spät. Olaf in der Beek, Obmann der FDP im Entwicklungsausschuss des Bundestags, sagte: «Jetzt muss die Bundesregierung beim IWF und der Weltbank darauf drängen, dass diese ebenfalls keine Mittel mehr an das Land auszahlen. Nur so können Geldflüsse an die Taliban vermieden werden.»

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