Coronavirus: Sputnik-Freunde für Russland auf Kosten der Bevölkerung

Jochen Tempelmann
Jochen Tempelmann

Russland,

Geht es nach Russland, so gibt es ein Mittel im Kampf gegen das Coronavirus: Sputnik V. Doch die russische Impfkampagne läuft nur schleppend – eine Analyse.

Coronavirus Impfung Russland Sputnik
Die ersten Dosen von Sputnik V nach der Ankunft in Venezuela. Der Impfstoff hilft in vielen Ländern bei der Bekämpfung des Coronavirus – doch Russlands Impfstoff-Politik ist nicht selbstlos. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Russland wirbt international mit seinem Impfstoff und verteilt ihn bereitwillig.
  • Damit gewinnt das russische Regime neue und wohlgesonnene Freunde.
  • Derweil schreitet die Impfkampagne in Russland allerdings langsam voran.

Wladimir Putins Luxusvilla, Alexey Nawalnys Verhaftung, Unterdrückung der Opposition und Unterstützung autoritärer Regimes: Russland hat es häufig schwer, wenn es darum geht, nach westlichen Standards zu gefallen. Dass Putin sich soeben selbst das Weiterregieren bis 2036 erlaubt hat, macht die Situation nicht leichter.

Während der russische Präsident im Inland dank seines Personenkults hohes Ansehen geniesst, dominiert international die kritische Russland-Berichterstattung.

Die Pandemie kommt der russischen Führung vielleicht nicht gelegen: Doch das Coronavirus scheint für Putin eine willkommene Gelegenheit zu sein, das eigene Image aufzubessern.

Coronavirus russische Impfung Sputnik
Abgepackte Dosen des Sputnik-Impfstoffs warten auf die Verimpfung. Russland hat bereits im Juli 2020 als erstes Land weltweit einen Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen. - Keystone

So wird aus dem russischen Impfstoff Sputnik V dann auch ein aussenpolitisches Instrument: Die Regierung nutzt den Impfstoff, um neue Freundschaften zu schliessen. Das geht auf Kosten der eigenen Bevölkerung, die weiter auf den Impfstoff wartet.

Sputnik V wird medial ausgeschlachtet

Wie wichtig «Sputnik V» für die Aussendarstellung Russlands ist, zeigt sich bereits beim Namen.

Als die russischen Wissenschaftler im Juli 2020 erstmals auf ihren Impfstoff aufmerksam machten, war der Name schnell gefunden: Sputnik war der Name des ersten Satelliten überhaupt, der 1957 die Umlaufbahn der Erde erreichte.

Das Ereignis löste damals im Westen den Sputnik-Schock aus: Wie kein anderes Ereignis führte es dem Westen den technologischen Vorsprung der sowjetischen Weltraumtechnik vor Augen.

Sputnik V soll der Welt den Vorsprung Russlands einmal mehr vor Augen führen. In diesem Zusammenhang ist bereits des Öfteren der Begriff «Propaganda» gefallen. Ein Besuch auf dem Twitter-Profil des Impfstoffs bestätigt den Eindruck.

Zahlreiche Umfragen sollen auf Twitter die Wirksamkeit des Impfstoffs belegen. So zitiert der offizielle internationale Twitter-Account eine Leserumfrage der österreichischen «Kronen Zeitung»: Sie soll das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung Österreichs, wo der Impfstoff nicht zugelassen ist, belegen. Das hinterlässt allerdings eher den Eindruck, dass händeringend nach Bestätigung gesucht wird.

Wespennest Impffortschritt

Die Propaganda-Offensive konnte bereits einige Erfolge verzeichnen. Das liegt nicht nur an einer cleveren Strategie seitens Russlands: Die Diskussionen um Impfstoff-Mangel tun ihr Übriges.

Jedes Land weltweit steht in Sachen Impfung im Vergleich zu Israel schlecht da: Das kleine Land in Vorderasien ist zu einem Massstab geworden, bei dem man nur verlieren kann.

Angetrieben von der medialen Berichterstattung steht damit jede Regierung der Welt schlecht da. Russland zeigt Verständnis – und bietet mit Sputnik V eine einmalige Gelegenheit, nach dem verpatzten Impfstart das Image aufzupolieren.

So dient Sputnik Ländern wie Ungarn und Serbien, um sich an die Spitze der europäischen Impfstatistik zu setzen. Im Gegenzug wird die grosszügige Tat mit Dankbarkeit vergütet: Gut möglich, dass sich die Profiteure dafür bei der Demokratie-Kritik einmal mehr enthalten. Die Impfung wird als Freundschaftskitt instrumentalisiert.

Coronavirus Impfung Sputnik V
Tunesische Politiker heissen die erste Lieferung von Sputnik V willkommen. Wo die eigene Impfpolitik versagt, wird das Angebot aus Russland dankend angenommen. - Keystone

Länder wie Ungarn und Griechenland setzen sich dabei über die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hinweg: Diese hat den Impfstoff noch nicht zugelassen. In der Schweiz wurde vom Hersteller noch nicht einmal die Zulassung beantragt.

Sputnik V scheitert an den eigenen Zahlen

Viele Länder werden bei der Impfstoff-Verteilung übergangen – sei es aufgrund mangelnder Finanzen oder organisatorischer Grenzen bei der Beschaffung. In diesen Ländern hat Sputnik V zweifelsohne einen positiven Einfluss auf das Gesundheitssystem. Russland tut Gutes mit der Verteilung der Impfung – das geht allerdings nur auf Kosten der Gesundheit im eigenen Land.

Die Folgen der russischen Verteil-Politik macht ausgerechnet die Sputnik-Kampagne selbst publik: Mit 5,2 Millionen vollständig Geimpften wähnt sich Russland im Vergleich zu Europa an der Spitze der Impfstoff-Verteilung.

Doch die relative Impfquote ist in Russland eher gering: Gerade einmal 3,5 Prozent aller Russen sind zweimal gegen das Coronavirus geimpft, in der Schweiz sind es 6,7 Prozent.

Statt die eigene Bevölkerung zu schützen, verteilt Russland den Impfstoff lieber in der Welt. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

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