Rund 200 Teilnehmer an Oppositionstreffen in Russland festgenommen
Ein Treffen von Oppositionspolitikern wurde in Moskau von der Polizei aufgelöst. Unter den 200 Verhafteten befanden sich zahlreiche gewählte Kommunalpolitiker.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei einem Treffen Oppositioneller in Moskau wurden rund 200 Personen festgenommen.
- Unter ihnen waren auch viele gewählte Kommunalpolitiker.
- Beim Treffen wollten sich verschiedene oppositionelle Gruppen besser vernetzen.
Die russische Polizei ist hart gegen eine Konferenz von Oppositionellen in der Hauptstadt Moskau vorgegangen: Bei einem Treffen wurden rund 200 Teilnehmer festgenommen. Das berichteten am Wochenende übereinstimmend Moskaus Innenministerium und Bürgerrechtler.
Bei der Razzia am Samstagvormittag wurden zahlreiche regierungskritische Politiker abgeführt und in Gefangenentransporter gesteckt. Darunter waren unter anderen die prominenten Politiker Wladimir Kara-Mursa, Ilja Jaschin, Andrej Piwowarow und Jewgeni Roisman. Erst nach Stunden kamen sie wieder frei. Ihnen drohen nun Geldstrafen.
Grösstes Treffen seit Nawalny-Verhaftung
Geplant war die erste grössere regierungskritische Veranstaltung seit den Massenprotesten für die Freilassung des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny zu Jahresbeginn. Zwei Tage lang wollten aus ganz Russland angereiste Politiker in einem Hotel im Nordosten Moskaus Wahlkampfstrategien erarbeiten. Dies nicht nur, aber auch mit Blick auf die Dumawahl im September. Nach nicht einmal 30 Minuten wurden sie gestoppt.
Die ersten Redner hatten auf dem Podium gerade erklärt, dass man als Oppositioneller in Russland keine Angst haben dürfe. In dem Moment betraten zahlreiche Polizisten den Saal und führten die Menschen nach und nach ab. «Schande, Schande», riefen Umstehende. Den Moskauer Kommunalpolitiker Jaschin rissen Sicherheitskräfte mitten in einem Interview vor laufender Kamera grob von hinten weg.
Auch mehrere Journalisten wurden in dem Veranstaltungsraum zeitweise festgehalten.
«Unerwünschte Organisation»
Die Polizisten begründeten ihr Vorgehen mit der Tätigkeit einer «in Russland unerwünschten Organisation». Gemeint war offenbar die Organisation «Offenes Russland» des im Westen lebenden früheren russischen Ölmanagers Michail Chodorkowski.
Die Vereinigung wurde in Russland vor einigen Jahren als «unerwünscht» erklärt. Unabhängige russische Medien wiesen allerdings darauf hin, dass hinter dem Treffen das nicht verbotene Projekt «Vereinigte Demokraten» stehe. Später hiess es dann von der Polizei, die Veranstaltungsteilnehmer hätten gegen Corona-Schutzauflagen verstossen.
Die Organisatoren werteten die Festnahmen als Einschüchterungsversuch der Behörden. Kara-Mursa sprach nach seiner Freilassung von einer «Repressionsmaschine», die in Russland wirke und die mittlerweile ein Eigenleben entwickelt habe. Auch aus dem Ausland kam Kritik am Vorgehen der russischen Polizei: Kara-Mursa und die anderen seien aus «zweifelhaften Gründen» festgenommen worden, schrieb US-Aussenminister Antony Blinken auf Twitter. «Wir fordern das Ende der Verfolgung unabhängiger Stimmen.»
Versammlungsfreiheit eingeschränkt
Die russische Opposition beklagt schwere Verstösse der Sicherheitsbehörden gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit. In der Vergangenheit scheiterten immer wieder Versuche Andersdenkender, sich zu versammeln und zu organisieren. Unabhängige Medien und Aktivisten kritisierten vor allem, dass es sich bei vielen der Festgenommenen um Abgeordnete kommunaler Parlamente handelte.
Unter dem Motto «Kommunales Russland» hatten die verschiedenen Parteien angehörenden Politiker sich in Moskau vernetzen wollen. Damit wollten sie langfristig das Machtmonopol der Kremlpartei «Geeintes Russland» zu brechen. Einige Medien interpretierten das als Schulterschluss der Bewegung Chodorkowskis mit Unterstützern des Kremlgegners Nawalny. Letztere werben immer wieder für das Prinzip der «klugen Abstimmung» bei Wahlen: Wähler sollen demnach für beliebige Kandidaten stimmen – nur nicht für die der Kremlpartei.
Nawalny-Kollegen verurteilen Festnahmen
Nawalnys Team äusserte sich dann auch umgehend zu den Festnahmen in Moskau: Das harte Vorgehen der Polizei zeige die Angst des russischen Präsidenten Wladimir Putin «vor unabhängiger Politik und vor kluger Abstimmung.» Nawalnys Mitarbeiterin Ljubow Sobol sprach von «faschistischen» Methoden. Die Unterstützer des 44 Jahre alten inhaftierten Oppositionsführers beklagten ausserdem, dass sie weiterhin nicht wüssten, wo er derzeit festgehalten werde.
Am Freitag hatten seine Anwälte erklärt, dass Nawalny aus einem Untersuchungsgefängnis im Gebiet Wladimir östlich von Moskau fortgebracht worden sei. Seitdem fehle jedes Lebenszeichen von ihm. Die Anhänger des Oppositionellen vermuteten, dass er nun in eines der gefürchteten Straflager gebracht worden sein könnte.
Anfang Februar hatte ihn ein Moskauer Gericht zur Verbüssung einer früher verhängten mehrjährigen Haftstrafe im Lager verurteilt. Bislang wurde er aber weiter in Untersuchungsgefängnissen festgehalten. Die russische Justiz wirft Nawalny vor, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstossen zu haben. Zu dem Zeitpunkt erholte er sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok.