«Der Fisch stinkt vom Kopf»: Druck auf Johnson bleibt hoch

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Grossbritannien,

Skandal-Minister Matt Hancock ist weg, doch der Druck auf den britischen Premierminister Boris Johnson bleibt gross. Empört kritisierte die Opposition, dass der Regierungschef Hancock nach dessen erster Entschuldigung den Rücken gestärkt hatte.

ARCHIV - Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock spricht während einer Pressekonferenz zum Coronavirus in der Downing Street. (Archivbild) Foto: Matt Dunham/AP Pool/dpa
ARCHIV - Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock spricht während einer Pressekonferenz zum Coronavirus in der Downing Street. (Archivbild) Foto: Matt Dunham/AP Pool/dpa - sda - Keystone/AP Pool/Matt Dunham

Das Wichtigste in Kürze

  • Als der Rücktritt dann nicht mehr abzuwenden war, weil immer mehr Abgeordnete von Johnsons Konservativer Partei Hancocks Ende forderten, lobte der Premier seinen Kompagnon ausdrücklich: «Du kannst das Amt mit Stolz auf das Erreichte verlassen», gab der Premier dem 42-Jährigen am Samstag auf den Weg.

Von «massivem Führungsversagen» sprach der Fraktionschef der schottischen Partei SNP, Ian Blackford. «Der Fisch stinkt vom Kopf.»

Die Affäre des verheirateten Gesundheitsministers mit einer engen Mitarbeiterin, die am Freitag von der «Sun» öffentlich gemacht worden war, war nur der negative Höhepunkt in Hancocks knapp dreijähriger Zeit im Amt. Seit Monaten musste er sich immer neuer Vorwürfe erwehren. Mal erhielt ein Bekannter - Besitzer seines örtlichen Pubs - einen Millionenauftrag zur Lieferung von Corona-Schutzausrüstung, obwohl er keine Erfahrung damit hat. Dann wieder versenkte er Milliarden Pfund in ein untaugliches Corona-Testprogramm.

Johnsons Ex-Berater Dominic Cummings warf Hancock vor, er habe während der Pandemie mehrmals gelogen, der Premier habe ihn in einer Kurznachricht als «völlig hoffnungslos» (Original: fucking hopeless) kritisiert. «Das Vermächtnis von Matt Hancock als Gesundheitsminister ist eines von Vetternwirtschaft und Versagen», twitterte der Chef der Liberaldemokraten, Edward Davey.

Doch das alles überstand Hancock - bis jetzt, teils mit Glück. Ohne den Erfolg des Impfprogramms wäre er längst abgesägt worden, kommentierte der «Sunday Telegraph». Dass er strenge Corona-Regeln predigte und betonte, er werde nicht einmal seine Eltern umarmen, aber nun beim innigen Kuss mit seiner Mitarbeiterin erwischt wurde - das war aber letztlich auch seiner Konservativen Partei zu viel. Hancock trat zurück.

Er habe die Corona-Abstandsregeln gebrochen - und wer die Vorschriften aufstelle, müsse sich erst recht daran halten, sagte der Vater dreier Kinder in einem Video, das am Samstag veröffentlicht wurde. Zum Nachfolger ernannte Johnson den Ex-Finanzminister Sajid Javid - der im Februar 2020 im Streit mit dem Premier zurückgetreten war. Auch Hancocks Geliebte, die mit ihrem Mann ebenfalls drei Kinder hat, gab ihren Posten auf.

«Das letzte, das ich will, ist, dass mein Privatleben die Aufmerksamkeit von der zielstrebigen Konzentration ablenkt, die uns aus dieser Krise herausführt», betonte Hancock. Doch die Opposition fordert mit Nachdruck eine Untersuchung. So müsse geklärt werden, ob Hancock mit der Einstellung der 43-Jährigen die Vorschriften verletzt habe - waren die beiden schon ein Paar, als sie den mit 15 000 Pfund (rund 17 500 Pfund) Jahresgehalt aus der Staatskasse dotierten Beratervertrag unterschrieb, oder kamen sie sich erst danach näher?

Doch auch der Druck auf Johnson wird nicht so schell abnehmen. Mit Hancock geht das Gesicht der Pandemie-Bekämpfung, der öfters als Blitzableiter diente. Immer wieder stellte er sich den Fragen der Presse, geschickt wimmelte er kritische Themen ab und richtete stets demonstrativ den Blick nach vorne, lobte den Einsatz des Pflegepersonals und den Erfolg der Impfkampagne - so auch in seinem Rücktrittsschreiben.

Hinzu kommt: Wie gelangten die Aufnahmen des knutschenden Paares, die offensichtlich von einer Überwachungskamera im Ministerbüro gemacht wurden, an die «Sun»? «Es zeigt, dass irgendwo eine Sicherheitslücke existiert und dass das Ministerium dies untersuchen muss», zitierte die «Sunday Times» eine Quelle in Sicherheitskreisen. Vielleicht seien sogar Regierungssitzungen und interne Kommunikation gefährdet. Bisher ging noch keine Anfrage zu Ermittlungen bei der zuständigen Behörde ein.

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