Dutzende Menschen in Dnipro weiter vermisst
Nach dem Einschlag einer russischen Rakete in ein Wohnhaus in der ukrainischen Stadt Dnipro werden nach wie vor über 30 Menschen vermisst.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Laufe des Wochenendes war die Zahl der Toten in Dnipro immer weiter angestiegen.
- Laut der Ukraine werden zudem noch mehr als 30 Menschen vermisst.
- Nato-Chef Stoltenberg erwartet «schon in naher Zukunft» mehr Waffenlieferungen.
Dutzende Bewohner eines Hochhauses in der zentralukrainischen Stadt Dnipro gelten nach dem Einschlag einer russischen Rakete am Samstag weiter als vermisst. Rettungskräfte suchten in den Trümmern des Wohnhauses weiter nach mehr als 30 Menschen, sagte der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache am Sonntagabend. Zugleich machte er dem schweigenden Teil der russischen Bevölkerung schwere Vorwürfe.
«Wir kämpfen um jeden Menschen», betonte Selenskyj mit Blick auf die Verschütteten in Dnipro. «Und die Rettungsarbeiten werden so lange andauern, wie auch nur die geringste Chance besteht, ein Leben zu retten.» Die Zahl der Toten stieg offiziellen Angaben zufolge auf 30, darunter ein Kind. Weitere 73 Menschen wurden demnach verletzt.
Selenskyj sprach in seiner Videobotschaft zudem auf Russisch die Menschen im Nachbarland an: «Ich möchte mich an alle in Russland wenden, die nicht einmal jetzt ein paar Worte der Verurteilung für diesen Terror haben, obwohl sie alles klar sehen und verstehen. Euer feiges Schweigen wird nur damit enden, dass diese Terroristen eines Tages auch hinter euch her sein werden.»
EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte das Vorgehen der russischen Seite als «unmenschliche Aggression, mit Zivilisten und Kindern als direkten Zielen». Die Verbrechen würden nicht straflos bleiben. Und die EU werde die Ukraine solange unterstützen, wie es nötig sei.
Der Angriff auf das im Gebiet Dnipropetrowsk gelegene Dnipro war der folgenreichste von mehreren Angriffen am Samstag. Die heftigste russische Angriffswelle seit dem Jahreswechsel richtete sich erneut auch gegen die ukrainische Energieinfrastruktur. Neben Dnipropetrowsk waren etwa auch die Region um die Hauptstadt Kiew und Charkiw im Osten schwer betroffen.
Ukraine beklagt Strom-Engpässe nach jüngsten russischen Angriffen
Die Ukraine stellte ihre Bürger vor diesem Hintergrund auf verstärkte Probleme bei der Stromversorgung ein. Landesweit müsse die vielerorts ohnehin schon deutlich reduzierte Strommenge pro Haushalt noch weiter gedrosselt werden, um grössere Engpässe zu vermeiden, teilte der staatliche Stromnetzbetreiber Ukrenerho auf Facebook mit. Auch Notabschaltungen seien nicht ausgeschlossen.
Nato-Chef erwartet «schon in naher Zukunft» mehr Waffenlieferungen
Vor neuen Gesprächen in Ramstein über westliche Militärhilfe für die Ukraine hat sich Nato-Generalsekretär Stoltenberg für die Lieferung weiterer schwerer Waffen an die Ukraine ausgesprochen. «Die jüngsten Zusagen für schweres Kriegsgerät sind wichtig – und ich erwarte schon in naher Zukunft mehr», sagte Stoltenberg dem «Handelsblatt».
Grossbritannien hatte am Samstag angekündigt, der Ukraine 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zur Verfügung zu stellen. Auf die Frage, ob sich auch Deutschland jetzt bewegen müsse, sagte Stoltenberg: «Wir sind in einer entscheidenden Phase des Kriegs. Wir erleben heftige Gefechte. Daher ist es wichtig, dass wir die Ukraine mit den Waffen ausstatten, die sie braucht, um zu gewinnen – und als unabhängige Nation fortzubestehen.»
Der ukrainische Vizeaussenminister Andrij Melnyk machte den Vorschlag, auch deutsche Kampfjets an sein Land zu liefern. Die Bundeswehr habe 93 Tornados in ihrer Flotte, die bald ausgemustert und durch moderne F-35-Tarnkappenjets ersetzt würden. Diese Tornados seien zwar alte, aber «noch immer sehr mächtige» Kampfjets, schrieb der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland auf Twitter. An die Adresse von Bundeskanzler Olaf Scholz richtete Melnyk die Frage: «Warum nicht diese Tornados an die Ukraine liefern?» Der CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter begrüsste den Vorschlag auf Twitter.
Tote und Verletzte nach Explosion in russischer Kaserne
Infolge einer schweren Explosion wurden in einer Kaserne in der westrussischen Region Belgorod drei Soldaten getötet und 16 weitere verletzt. Acht weitere Männer würden seit dem Vorfall, der sich bereits am Samstag in der an die Ukraine grenzenden Region ereignete, vermisst, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Rettungsdienste. Den Angaben zufolge hatte ein Unteroffizier versehentlich eine Handgranate zur Detonation gebracht, woraufhin in dem Gebäude ein Feuer ausbrach. Er selbst erlitt demnach schwere Verletzungen und wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Was am Montag wichtig wird
Aussenministerin Annalena Baerbock will bei einem Besuch in Den Haag Möglichkeiten diskutieren, wie der russische Präsident Wladimir Putin wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden kann. Am Internationalen Strafgerichtshof in der niederländischen Stadt will die Grünen-Politikerin an diesem Montag (11.00 Uhr) zunächst dessen Präsidenten Piotr Hofmanski und anschliessend Chefankläger Karim Khan treffen.