Ein Weltkonzern fernab der Tech-Hochburgen - 50 Jahre SAP
1972 gründen fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter ein Unternehmen, das die Geschäftswelt revolutionieren sollte: SAP. Dort rüstet man sich mit einer neuen Strategie für die Zukunft.
Vor einem halben Jahrhundert legten fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter den Grundstein für ein Schwergewicht der deutschen Wirtschaft.
Am 1. April 1972 gründeten Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Klaus Tschira, Hans-Werner Hector und Claus Wellenreuther die Firma «Systemanalyse Programmentwicklung». Ihr Ziel war es, eine Standardsoftware zu entwickeln, mit der Geschäftsprozesse in Echtzeit abgebildet werden.
50 Jahre später ist klar, dass ihnen das gelungen ist. Der sperrige Name wurde ausgetauscht. Heute trägt das Unternehmen noch drei Buchstaben und ist weltweit bekannt: SAP.
Im Südwesten entstand ein Gigant: einer der wertvollsten Konzerne Deutschlands und Europas grösster Softwarehersteller. Sitz des Unternehmens ist Walldorf bei Heidelberg, ein eher ruhiger und wenig glamouröser Standort, fernab der Tech-Hochburgen in den Metropolen. 2021 erwirtschaftete SAP einen Umsatz von rund 28 Milliarden Euro und einen Gewinn nach Steuern von etwa 5,4 Milliarden Euro.
«Auch wenn wir uns gute Chancen beim Start ausrechneten, hätten wir es uns natürlich bei der Gründung nicht vorstellen können, dass sich die SAP einmal zu so einem globalen Konzern mit über 100.000 Mitarbeitern weltweit entwickeln wird», sagt Gründer Hopp. Bei der Gründung hätten sie noch «einige alte EDV-Hasen» für verrückt erklärt. Das Vorhaben sei damals fast eine kleine Revolution gewesen. «Die vorherrschende Meinung war damals, dass die Abläufe in den Unternehmen zu unterschiedlich seien, um dafür eine Standardsoftware entwickeln zu können», so Hopp.
Er und Plattner, damals noch Hopps Assistent, hätten bei einem ihrer IBM-Kunden von grossen Abwicklungsproblemen erfahren und eine Pilotanwendung entwickelt. Sie verliessen IBM, sicherten sich die Rechte an der Software und vereinbarten mit ihrem Kunden «eine auskömmliche Bezahlung, die Computernutzung in der Nacht und an Wochenenden sowie die kostenlose Nutzung von Büros», sagt Hopp. «Das war die Geburtsstunde von SAP.» Ein Start-up aus einer anderen Zeit.
Nach dem Börsengang 1988 war Hopp zehn Jahre lang Vorstandssprecher, ehe er fünf Jahre den Vorsitz des Aufsichtsrats bekleidete. 2005 schied er aus dem Gremium aus. Heute ist Hopp vor allem als Mäzen des Fussballvereins TSG Hoffenheim bekannt, an dessen Aufstieg in die Bundesliga er mit seinem Geld massgeblich beteiligt war und er sich unter Fussballfans nicht nur Freunde gemacht hat.
Von den Gründern ist neben Hopp vor allem Plattner der breiten Öffentlichkeit bekannt. SAP hat den beiden Managern ein Milliardenvermögen beschert. In der Liga der reichsten Deutschen spielen sie vorne mit.
Plattner ist im Gegensatz zu Hopp nach wie vor bei SAP aktiv. Seit 2003 ist der ehemalige Vorstandssprecher Chef des Aufsichtsrats. Im vergangenen Jahr kündigte der heute 78-Jährige an, 2022 ein letztes Mal zur Wiederwahl für zwei weitere Jahre anzutreten. Das kam nicht überall gut an: Aktionärsvertreter kritisierten etwa die Amtszeit mit Blick auf eine nötige Kontrolldistanz und einer aus ihrer Sicht schleppenden Nachfolgeregelung.
Seit April 2020 ist Christian Klein alleiniger Vorstandssprecher. Er führte das Unternehmen zuvor mehrere Monate gemeinsam mit der Amerikanerin Jennifer Morgan, nachdem man sich in Walldorf vom langjährigen CEO Bill McDermott getrennt hatte. Die Trennung von Morgan, mitten in der Pandemie, kam überraschend. Sie war zu diesem Zeitpunkt die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens.
Auch Klein kann Superlative vorweisen: Als er 2019 den Chefposten mit Morgan antrat, wurde er mit 39 Jahren zum jüngsten CEO eines Dax-Konzerns. Klein ist ein Kind der Region. Er wuchs nicht weit von der Firmenzentrale in Walldorf auf. Der heute 41-Jährige ist ein echtes SAP-Eigengewächs: Seit 1999 ist er im Unternehmen, wo er als dualer Student startete. Der Betriebswirt wirkt locker im Auftritt. Er trägt selten Krawatte und unter dem Anzug gerne auch mal ein weisses T-Shirt.
Klein hat einen Strategieschwenk vollzogen. Aus dem Softwareunternehmen will er ein Cloud-Unternehmen machen. Die Kunden sollen von den Lizenzen, für die sie einmalig eine hohe Gebühr zahlen, auf ein Abomodell in der Cloud umsteigen und so regelmässig Geld in die Kasse spülen. 2022 sei wegen des Firmenjubiläums ein ganz besonderes Jahr, schrieb Klein an die Aktionäre im Geschäftsbericht. «Ausserdem wird 2022 für unsere eigene Transformation ein entscheidendes Jahr sein, in dem wir uns unternehmensweit noch stärker auf unsere Cloud-Ziele konzentrieren.» Bis 2025 soll der Umsatz mit Cloud-Geschäften mehr als verdoppelt werden.
Gründer Hopp sieht SAP mit Klein sehr gut aufgestellt. Es sei bewundernswert, wie Klein die Transformation vorantreibe. «Er muss hierbei viele Prozesse innerhalb der SAP komplett verändern, an die sich viele Mitarbeiter über Jahre gewöhnt haben», so Hopp. «Dies ist wirklich eine grosse Aufgabe, die er mit vollem Elan angeht.» Sofern SAP den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolge, sehe er das Unternehmen auf einem sehr guten Weg. Das Marktpotenzial sei nach wie vor enorm, da sich nahezu alle Firmen in ihrer IT-Strategie kontinuierlich weiterentwickeln müssten.