Seit mehr als zwei Jahren streitet die EU-Kommission mit Warschau über den Umbau der polnischen Justiz. Und die Brüsseler Behörde lässt nicht locker.
Die Oberste Richterin Polens.
Die Oberste Richterin Polens. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Streit wegen der geplanten Justizreform in Polen lässt die EU nicht locker.
  • Die EU droht mit einer Klage, falls Polen bei der Reform keine Änderungen veranlasst.
Ad

Im Streit über die Zwangspensionierung von Richtern in Polen droht die EU-Kommission mit einer Klage, falls Warschau nicht binnen eines Monats Änderungen veranlasst. Die Brüsseler Behörde wies die Argumente der nationalkonservativen Regierung in Polen am Dienstag zurück und setzte die neue Frist – damit eskaliert der Dauerstreit zwischen Warschau und Brüssel abermals.

Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der Gerichte, die Gewaltenteilung und damit EU-Grundwerte in Polen in Gefahr. Schon seit 2016 versucht die Behörde deshalb, die Justizreformen der rechtskonservativen Regierungspartei PiS zu stoppen oder abzumildern. Aktueller Streitpunkt: die vorzeitige Pensionierung von Richtern am Obersten Gericht Polens.

Seit dem 3. Juli greift eine Reform, wonach die obersten Richter bereits mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand gehen müssen. Die Regelung trifft 27 von 72 obersten Richtern. Wer im Amt bleiben will, muss dies bei Staatspräsident Andrzej Duda beantragen. Kritiker monieren, so könnten nicht genehme Richter vorzeitig entfernt werden.

Die EU-Kommission hatte deshalb Anfang Juli ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge gegen Polen eingeleitet. In einer Stellungnahme wies die polnische Regierung die Vorwürfe aus Brüssel zurück und betonte, die Organisation des Justizsystems liege laut EU-Verträgen allein in der Zuständigkeit der Mitgliedsländer. Also gebe es keinen Verstoss gegen allgemeines EU-Recht. Im Übrigen schränke die Senkung des Pensionsalters die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht ein.

Die Brüsseler Behörde, die für die Durchsetzung von EU-Recht zuständig ist, liess das nicht gelten. «Die rechtlichen Bedenken der Kommission werden durch die Antwort der polnischen Behörden nicht ausgeräumt», erklärte sie nun. «Die Europäische Kommission hält daran fest, dass das polnische Gesetz über das Oberste Gericht gegen EU-Recht verstösst.» Die polnischen Behörden hätten einen Monat Zeit, um «die erforderlichen Massnahmen» zu treffen. Ansonsten könne die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Im Streit über die polnischen Justizreformen ist dies nur eines von mehreren Vertragsverletzungsverfahren. Darüber hinaus startete die Kommission im Dezember 2017 erstmals überhaupt ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen.

Das Artikel-7-Verfahren ist viel weitreichender als normale Vertragsverletzungsverfahren: Es kann im äussersten Fall zum Entzug von Stimmrechten im EU-Ministerrat führen. Die Mitgliedstaaten haben Polen bereits einmal angehört und beraten voraussichtlich im Herbst, wie es weiter geht.

Ad
Ad